Umbau der unübersichtlichen Struktur: Frankreich will zentrale Anti-Terror-Behörde errichten

Paris · Ein Untersuchungsausschuss zieht die Lehren aus den Anschlägen des vergangenen Jahres. Dazu gehört die Schaffung einer zentralen Anti-Terror-Behörde.

Die Bilder des 13. November sind noch nicht verblasst: Schwer bewaffnete Elitepolizisten, die hinter Schutzschilden auf den Konzertsaal Bataclan vorrücken, Dutzende Krankenwagen, deren Blaulicht die Nacht erhellt, verzweifelte Angehörige, die nach den Opfern suchen. Hätten solche Szenen vermieden werden können? Das war eine der Fragen, der in den vergangenen fünf Monaten ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss nachging. "Nein" lautete die Antwort, die das Gremium am Dienstag in einem rund 300 Seiten dicken Bericht gab. Auch wenn die Bedrohung des Bataclan bekannt war, so war es doch nur eines von vielen Zielen, die Verdächtige in den vergangenen Jahren in Ermittlungen nannten.

Doch aus anderen Erkenntnissen rund um die Anschlagserien des vergangenen Jahres mit mehr als 140 Toten sollen Lehren gezogen werden. Und zwar sowohl bei den Geheimdiensten als auch bei der Polizei und ihrer Kontrolle. "Unsere Rolle ist es nicht, Schuldige zu bestimmten, sondern eine objektive Feststellung zu treffen, und die lautet: es muss alles überarbeitet werden", forderte der Ausschussvorsitzende, der konservative Abgeordnete Georges Fenech.

Ganz vorne steht für ihn der der Geheimdienste, die ohne wirkliche Koordination eher nebeneinander her als miteinander arbeiten. Ein eklatantes Beispiel: für die Geheimdienstüberwachung in Paris ist nicht der Inlandsgeheimdienst DGSI, sondern der Geheimdienst der Polizeipräfektur zuständig. So konnte Said Kouachi, einer der Angreifer auf die Satirezeitung "Charlie Hebdo", nicht lückenlos überwacht werden, da er seinen Wohnsitz von Paris nach Reims verlagert hatte, also von einem Zuständigkeitsbereich in einen anderen.

Schwächen beim Gefängnisgeheimdienst

Genauso fatal war das Versagen der Geheimdienste, die in den Gefängnissen arbeiten. Justizminister Jean-Jacques Urvoas musste bei seiner Anhörung im Mai zugeben, dass das bestehende System keine Erkenntnisse über die Radikalisierung von Gefangenen liefere. Wohl auch deshalb wurde Amédy Coulibaly, der im Januar 2015 im jüdischen Supermarkt Hyper Kacher vier Menschen tötete, nach seiner Haftentlassung nicht überwacht. Dabei war er als Helfershelfer eines Drahtziehers der Anschläge von 1995 durchaus verdächtig.

Zu den 39 Vorschlägen, die der Untersuchungsausschuss machte, gehört die Schaffung einer staatlichen Agentur zur Terrorbekämpfung, die direkt dem Premierminister unterstellt sein soll. Nach dem US-Vorbild des National Counterterrorism Center soll sie alle Anti-Terrordienste koordinieren und deren Erkenntnisse unter einem Dach bündeln. "Wir haben bei unseren Reisen ins Ausland festgestellt, dass kein Verantwortlicher der israelischen, griechischen, türkischen oder US-Dienste einen Ansprechpartner in Frankreich benennen konnte", kritisierte Fenech in der Zeitung "Le Figaro".

Kritisch beurteilt der Untersuchungsausschuss auch den Einsatz der Soldaten zum Schutz "sensibler Ziele". Diese "Operation Sentinelle", die schwer bewaffnete Soldaten vor Museen und Bahnhöfen postiert, habe nur einen begrenzten Nutzen für die Sicherheit. Vorschlag Nummer 29 sieht deshalb die Verringerung der Soldaten vor, die sich auf den Schutz weniger strategischer Einrichtungen konzentrieren sollen. Statt dessen sollen 2000 Polizisten angestellt werden, die den Anti-Terrorplan Vigipirate umsetzen sollen. "Frankreich war im November nicht bereit, dieser Art von Terrorangriff zu begegnen. Wir hoffen, dass die notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, um auf die Terrorbedrohung zu reagieren", sagte der Abgeordnete Olivier Falorni im Radio.

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