Und wieder läuten im Schulbus die Alarmglocken

IRREL. Am Ende einer riesigen Rettungsmaschinerie nach dem Bus-Zwischenfall bei Irrel stehen viele Fragezeichen. Die Ursache der Beschwerden liegt weiter im Dunkeln.

Schulterzucken und Kopfschütteln waren am Donnerstag die häufigsten Reaktionen rund um den folgenschweren Vorfall im Bus auf dem Weg zur Schule. Je mehr der Tag voranschritt, desto mehr wuchs das Unverständnis über die Entwicklung, die zu einem Großeinsatz der Rettungskräfte und einem Krankenhaus-Aufenthalt von 28 Kindern führte. Schon der Auslöser der Kettenreaktion lässt sich nur schwer rekonstruieren. Einen "komischen Geruch" wollten einige Schüler wahrgenommen haben. Die Fahrerin, sensibilisiert nach dem Zwischenfall in Schweich, hielt an, überprüfte den bunten Gelenkbus, stellte aber kein Problem fest. Als sich erneut Schüler massiv beklagten, stand sie vor der Entscheidung: stur weiterfahren oder auf Nummer sicher gehen. Sorge um Gesundheit der Kinder siegt

Der Entschluss, einen Ersatzbus zu ordern, brachte neue Dynamik in die Situation. Die Schüler mussten – bei offenen Türen und Fenstern – einige Zeit warten und unterhielten sich intensiv über die Lage. Beim verspäteten Eintreffen in Irrel sprudelten die Worte geradezu aus den Kindern heraus. So stellten sich die Beschwerden von Lehrern und der Schulleitung möglicherweise dramatischer dar, als sie in Wirklichkeit waren. Die Alarmierung des Notarztes führte zur nächsten Eskalationsstufe, denn bei mehr als sieben Patienten läuft das volle Programm ab. Zumindest zu diesem Zeitpunkt litten einige Kinder tatsächlich unter Atemnot – möglicherweise aufgrund der großen Aufregung. Eines der Mädchen wurde mit dem am Luxemburger Flughafen stationierten Rettungshubschrauber weggeflogen. Nach der Untersuchung vor Ort in Irrel stand wiederum auch der Leitende Notarzt vor der Frage: Alles abblasen oder Krankenhäuser anfahren? Die Sorge um die Gesundheit der Kinder siegte. Das Krankenhaus-Personal wiederum nahm die Angelegenheit ebenso ernst, leitete die üblichen Untersuchungen von Blut und körperlichem Zustand ein. Die stationäre Aufnahme hatte den Hintergrund, dass sich Schädigungen der Lunge häufig erst nach einem Tag nachweisen lassen. Lungenödeme können im schlimmsten Fall zur Erstickungsgefahr führen. Drei Mädchen und fünf Jungen kamen ins Clemens-August-Krankenhaus nach Bitburg. Hans-Peter Alleröder, Leitender Arzt der Inneren Abteilung und Lungenfacharzt, gab am frühen Abend im Gespräch mit dem TV Entwarnung: "Alle Kinder sind in stabilem Zustand, die meisten völlig beschwerdefrei." Bei einem Kind sei eine Vorschädigung der Bronchien festgestellt worden. Zuvor hatten die Kinder von leichten Reizerscheinungen im Rachen berichtet. Notarzt Detlef Stiemert war aufgefallen, dass bei der Aufteilung der Patienten auf die verschiedenen Einsatzwagen in jeder Gruppe eine bestimmte Beschwerdeart überwog: "Die einen klagten über Kopfschmerzen, die anderen über Bauchweh." So schaukelten sich die Kinder möglicherweise gegenseitig hoch, ohne dass ihnen dies bewusst gewesen wäre. Gesamte Strecke nochmals abgefahren

Ob echt oder nicht: DRK-Organisationsleiter Heiner Weides hatte alle Hände voll zu tun, die Einsatzkräfte aus dem Kreisgebiet zu koordinieren. Darunter war auch die Sondereinsatzgruppe Bitburg. "Wir dürfen das Chaos nicht einfach ins Krankenhaus verlegen, indem wir blind zuweisen", erklärte Weides. Als gegen 9.35 Uhr das letzte Fahrzeug in Richtung Krankenhaus abrückte, war die Arbeit noch lange nicht getan. Mitarbeiter im Schulsekretariat versuchten ständig, die teilweise berufstätigen Eltern der betroffenen Schüler zu erreichen. Erst gegen Mittag entspannte sich die Lage etwas. Rektor Lothar Zepp war von Beginn an eingeschaltet: "Es ging mir darum, die Kinder zu beruhigen, bei denen ein zumindest subjektiv empfundener Bedarf bestand." Mit einem von Atemnot geplagten Jungen machte Zepp Yoga-Übungen, um ihn zu stabilisieren. Überrascht und froh war der Schulleiter über das schnelle Eintreffen der Rettungskräfte. Die Moselbahn Verkehrsbetriebsgesellschaft Trier ist sich unterdessen sicher, alles richtig gemacht zu haben. "Das Fahrzeug ist in einwandfreiem Zustand. Das haben die Untersuchung des polizeilichen Gutachters auf dem KFZ-Prüfstand und die anschließende Probefahrt bestätigt", sagte Alf Keilen, Leiter Verkehrs-Wirtschaft bei der Moselbahn-Muttergesellschaft Rhenus-Keolis. Die Fahrerin habe sich richtig verhalten, und es sei unverzüglich ein Ersatzbus zur Verfügung gestellt worden. "Die Duplizität der Ereignisse ist doch auffällig", spielte Keilen auf den Schweicher Bus-Zwischenfall im Februar an. "Damals wurde bei den Kindern kein medizinisch nachweisbares Phänomen festgestellt." Das endgültige Ergebnis des aktuellen Busgutachtens steht noch aus. Sachverständiger, Moselbahn-Mitarbeiter und Polizeibeamte fuhren die gesamte morgendliche Strecke ab – ohne Auffälligkeiten. Stutzig wurden die Beteiligten allerdings in der Nähe des Steinbruchs zwischen Eisenach und Irrel. Dort fuhr auch bei der nachgestellten Tour ein Asphalt-Lastwagen vorbei, der auffälligen Geruch verbreitete. Auch die Kinder hatten von einem Teergeruch durch einen LKW berichtet. Die Polizei gab den Bus mit 63 Sitzplätzen wieder frei. Die Moselbahn will das Fahrzeug nochmals von einem Sachverständigen in Bernkastel-Andel untersuchen lassen. Auf der Linie von Aach nach Irrel wird vorläufig ein anderer Bus eingesetzt.

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