"Union instrumentalisiert Besuch des Dalai Lama"

In dieser Woche wird der Dalai Lama zu einem mehrtägigen Besuch in Deutschland erwartet. Weder der Bundespräsident noch ein Regierungsmitglied sind jedoch bereit, das religiöse Oberhaupt der Tibeter zu treffen. Die Union übt deshalb heftige Kritik an Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD).

Nach Ansicht des außenpolitischen Sprechers der Grünen, Jürgen Trittin, ist der Vorgang bezeichnend für die Zerstrittenheit von Schwarz-Rot. Mit Trittin sprach unser Berliner Korrespondent, Stefan Vetter:Herr Trittin, ist es ein Fehler der Bundesregierung, den Dalai Lama nicht zu empfangen?

Trittin: Das ist zunächst einmal die Entscheidung der Regierung. Dafür kann es tatsächlich Terminschwierigkeiten gegeben haben. Ich habe aber den Eindruck, dass die CDU daraus innenpolitisches Kapital schlagen will. Es ist klare Doppelmoral der Union, Steinmeier für dessen Gesprächsabsage zu kritisieren, aber beim Bundespräsidenten, der auch für ein Treffen angefragt war, zu schweigen.

Hessens CDU-Ministerpräsident Koch klagt, durch Steinmeiers Verzichts müssten in China Zweifel aufkommen, dass die Menschenrechte für die Bundesregierung oberste Priorität genießen. Hat er da nicht Recht?

Trittin: Damit stellt Koch seiner eigenen Bundesregierung ein schlechtes Zeugnis aus. Ich bleibe dabei: Hier wird durch die Union ein Streit um die deutsche Außenpolitik inszeniert. Die CDU will offenbar davon ablenken, dass sie mit ihrem jüngsten Vorstoß zur Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrats gewaltig Schiffbruch erlitten hat.

Hätten Sie sich als Außenminister mit dem Dalai Lama getroffen?

Trittin: Die Haltung der Grünen ist eindeutig. Unsere Parteivorsitzende, Claudia Roth, wird ihn empfangen. Die Grünen-Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses werden ihn treffen. Trotzdem machen wir die billige Nummer der Union nicht mit, der Dalai Lama würde bei seinem Deutschland-Besuch unangemessen behandelt.

Kritiker kommen zu dem Schluss, dass die deutsche Außenpolitik vor China eingeknickt ist...

Trittin: Diesen Eindruck teile ich nicht. Richtig ist vielmehr, dass die große Koalition mittlerweile auch in der Außenpolitik in einem Ausmaß zerstritten ist, dass es langsam peinlich, ja richtig schädlich für Deutschland wird.

Welche Möglichkeiten bleiben der deutschen Außenpolitik, China in der Tibet-Frage positiv zu beeinflussen?

Trittin: Das ist in erster Linie eine Frage des kontinuierlichen und langfristigen Dialogs. Dabei ist Besserwisserei genauso fehl am Platz wie Leisetreterei.

Angela Merkel hatte den Dalai Lama im Vorjahr persönlich empfangen. Die Folge waren erhebliche diplomatische Spannungen zwischen Berlin und Peking. Handelte Merkel trotzdem richtig?

Trittin: Damals ging es nicht darum, dass die Kanzlerin den Dalai Lama empfängt, was zweifellos richtig war. Sondern darum, ob sie ihn im Kanzleramt trifft. Darüber kann man streiten. Gerade erst hat die britische Regierung klar gemacht, dass der Dalai Lama in der kommenden Woche nicht im Büro des Premierministers, sondern am Sitz der Anglikanischen Kirche empfangen wird, um die Rolle des Dalai Lama als geistlicher Führer der Tibeter zu unterstreichen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort