Union ringt um geschlossenes Ja zur EU-Verfassung

BERLIN. Mit der Verständigung aller Fraktionen auf mehr Mitspracherechte des Bundestages bei Europa-Themen sind die Weichen für eine breite Zustimmung des Parlaments zur EU-Verfassung gestellt. Der Bundestag wird am Donnerstag nach einer Regierungserklärung von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) darüber abschließend abstimmen.

Alle Parteien erwarten, dass die EU-Verfassung am Donnerstag bei der Abstimmung im Deutschen Bundestag eine überzeugende Zustimmung bekommen wird. Die Fraktionen hatten sich am Dienstag auf einen Begleittext zur EU-Verfassung verständigt, wonach die Mitwirkungsrechte des Parlaments bei Europa-Themen gestärkt werden sollen. Verbale Massage für Abweichler

Die Union ist allerdings mit sich noch nicht so ganz im Reinen. Auf der einen Seite ist die Zahl der Kritiker in Sachen Europäischer Union in den vergangenen Wochen eher gewachsen. Auf der anderen Seite möchte Angela Merkel natürlich auch, dass die CDU, die Partei der großen Europäer Konrad Adenauer und Helmut Kohl, morgen im Bundestag möglichst geschlossen der EU-Verfassung zustimmen. Gestern wurde ein buchstäblich letzter Versuch unternommen, die Fraktion von CDU und CSU auf ein gemeinsames Ja einzuschwören. Merkel, Edmund Stoiber und auch der ,,Europäer" Erwin Teufel ,,massierten verbal" die möglichen Abweichler. Wobei von Anfang an fest stand: Einen Fraktionszwang wird es bei der Abstimmung am Donnerstag nicht geben. Die CSU-Landesgruppe hatte schon am Montagabend heftig über die EU-Abstimmung diskutiert. Viel Skepsis und Kritik zur Europa-Politik sei dabei hochgekommen. Auf die Frage, mit wie viel Abweichlern er am Donnerstag denn rechne, antwortete Landesgruppenchef Michael Glos nebulös: ,,Jedenfalls wird es eine Zahl sein, die in einer Demokratie durchaus vertretbar ist. Mehr werden es nicht werden." Der europapolitische Sprecher der Unionsfraktion, Peter Hintze (CDU), hatte sich vor der Fraktionssitzung von CDU und CSU noch einmal in scharfem Ton an die möglichen Abweichler gewandt. Wer gegen den EU-Vertrag stimme, ,,versündigt sich an den Interessen Deutschlands". Das Vertragswerk gebe dem Bundestag ,,mehr Rechte als er je hatte in der Geschichte der Europäischen Union". Namentliche Abstimmung

Der EU-Verfassungsvertrag muss in allen 25 Mitgliedsstaaten förmlich ratifiziert werden. In Deutschland ist dafür eine Zwei-Drittel-Mehrheit sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat erforderlich. Die Abstimmung am Donnerstag im Bundestag erfolgt namentlich, so dass sich jeder einzelne Abgeordnete öffentlich bekennen muss. Der Bundesrat stimmt am 27. Mai ab, zwei Tage vor dem mit Spannung erwarteten Referendum in Frankreich. Mehrere Abgeordnete von CDU und CSU werden laut eigenem Bekunden trotz aller Partei-Massagen morgen im Bundestag in jedem Fall mit Nein stimmen. Albrecht Feibel (Homburg/Saar) gegenüber unserer Zeitung: ,,Ich bin ein absolut überzeugter Europäer. Aber ich werde am 12. Mai nein sagen." Ihm sei die EU-Osterweiterung viel zu schnell gegangen. Und jetzt auch noch Rumänien und Bulgarien. Da werde in atemloser Hast erweitert, statt zunächst einmal das Erreichte solide zu konsolidieren. ,,Die Bürger werden so überfordert." Feibel, selbst Mitglied im deutsch-rumänischen Parlamentarier-Ausschuss, nennt weitere Gründe für sein Nein: Ihm als überzeugten Christen fehle auch der Gottesbezug in der EU-Verfassung. ,,Für mich ist diese Abstimmung deshalb eine echte Gewissenfrage." Der CDU-Politiker sieht zudem eine für ihn nicht akzeptable Kompetenzverlagerung vom Deutschen Bundestag auf die Ebene von EU-Kommission und Ministerrat. Das entspreche nicht seinen Vorstellungen von Demokratie im vereinten Europa. Feibel: ,,Unser Bundestag wird so praktisch entmachtet." Ähnlich argumentierte gestern auch der Abgeordnete Gerd Müller (Kempten/Allgäu), Wortführer der EU-Kritiker in der CSU. Müller: ,,In Europa stricken wir jetzt eine Ordnung, wo die Bürokratie das absolute Sagen hat. Dies koppelt die Bürger total ab." Laut Müller wollen bis zu 20 Unionsabgeordnete mit Nein stimmen. In Berlin ging man gestern davon aus, dass die Fraktionen von SPD, FDP und Grünen geschlossen mit Ja stimmen. Die beiden PDS-Abgeordneten werden nein sagen. Unterdessen ergab eine Umfrage von Infratest-dimap, dass die große Mehrheit der Deutschen die europäische Verfassung befürwortet, käme es darüber zu einer Volksabstimmung in Deutschland (siehe dazu auch nebenstehendes "Extra").

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