Unionspolitiker treten bei der Homo-Ehe auf die Bremse

Berlin · Das ist für manchen Unionspolitiker eine schwierige Frage: Wie weit sollen Lesben und Schwule der traditionellen Ehe und Familie gleichgestellt werden? In der innerparteilichen Debatte melden sich vermehrt Skeptiker zu Wort.

Berlin. Während der Sitzung der CSU-Abgeordneten am Montagabend argumentierte nur einer von 44 "differenziert". Er führte "die Stimmung im Lande" an. Alle anderen, so Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt, hätten "keine Notwendigkeit gesehen", dass die Koalition bei der Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften "mehr umsetzt als zwingend notwendig ist".

Kopfschütteln


Nicht ganz so deutlich, aber von der Richtung ähnlich soll auch das Stimmungsbild in einigen Landesgruppen der CDU gewesen sein. "Manche haben über die Weisheit der Führung nur den Kopf geschüttelt", so ein Abgeordneter im Gespräch mit unserer Zeitung. Tritt die Union bei weiteren Rechten für homosexuelle Lebenspartnerschaften wieder auf die Bremse?
Am Wochenende konnte man angesichts von Äußerungen des Fraktionschefs Volker Kauder und seines Parlamentsgeschäftsführers Michael Grosse-Brömer (beide CDU) noch den Eindruck gewinnen, die Fraktion erwäge nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Adoptionen nun eine umfassende Gleichstellung der Homo-Ehe. Und zwar noch vor der Sommerpause, bevor Karlsruhe das nächste Urteil fällt, dann zur steuerlichen Gleichbehandlung schwuler und lesbischer Paare mit der Ehe. Doch davon kann derzeit wohl keine Rede mehr sein.
Kauder und sein Adlatus Grosse-Brömer hätten die Stimmung unter den Abgeordneten unterschätzt, hieß es gestern in der Fraktion. Und auch die "öffentliche Wirkung", die vor allem Kauder mit seinen Äußerungen erweckt habe, sei offenbar nicht erwartet worden. "Besprochen wurde das vorher so nicht", hieß es.
Überdeutlich war deshalb gestern die Abfuhr der CSU: Man sehe "keinen Handlungsbedarf", so Hasselfeldt, über die Vorgaben des Verfassungsgerichts in Sachen Adoptionen hinauszugehen. Auch sei es nicht notwendig, im Vorgriff auf die weitere Karlsruher Entscheidung Rechtsänderungen vorzunehmen. "Das ist nicht die Maxime unserer Arbeit." Die Privilegierung von Ehe und Familie dürfe nicht "aufgegeben" werden.
Positionsbestimmung


Aus Fraktionskreisen hieß es zudem: "Die Unterstützung für die Richtung Kauder ist nicht vorhanden gewesen." Parlamentsgeschäftsführer Grosse-Brömer wollte dies so jedoch nicht bestätigen. Mit Blick auf Befürworter und Gegner einer umfassenden Gleichstellung meinte er: "Wie groß die jeweiligen Lager sind, kann ich nicht abschätzen." Die Positionsbestimmung sei "aktuell im Gange".
Für die Opposition ist das Wirrwarr indes ein gefundenes Fressen. Die SPD-geführten Bundesländer wollen bereits auf der Bundesratssitzung am kommenden Freitag einen Antrag zur Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaften einbringen und damit die Union unter Druck setzen. Man werde die neuen Mehrheiten in der Länderkammer nutzen, um die steuerliche Gleichstellung einzufordern, so SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier genüsslich. Das Spielchen mitspielen will die Union laut Grosse-Brömer aber nicht - man werde "den Schaufensteranträgen der Opposition nicht nachlaufen", kommentierte er.
Extra

In der Union wächst der Widerstand gegen die geplante steuerliche Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und Ehen. Auch unter den von unserer Zeitung befragten CDU-Abgeordneten aus der Region Trier hält sich die Begeisterung in Grenzen. Kein Blatt vor den Mund nimmt der Eifeler Landtagsabgeordnete Michael Billen (57). "Ich habe nichts gegen eingetragene Lebenspartnerschaften", sagt der vierfache Familienvater, "aber sie dürfen nicht mit der Ehe gleichgestellt werden." Laut Billen ist die Familie die Urzelle der Gesellschaft. Wer diese nicht besserstelle, begehe einen großen Fehler. Eine solche Haltung sei auch nicht mit den Grundsätzen der CDU in Übereinstimmung zu bringen, sagt der Kaschenbacher Christdemokrat. Ähnlich deutlich wird der Cochemer CDU-Bundestagsabgeordnete Peter Bleser (60). "Ich akzeptiere alle Formen des Zusammenlebens", sagt der Staatssekretär. "Aber sollen in Zukunft auch Geschwister, Wohngemeinschaften oder sonstige noch zu definierende Zweckgemeinschaften, die zusammenleben, ebenfalls Steuerprivilegien erhalten?", lästert Bleser mit ironischem Unterton. Sein Vorschlag: Wenn der Staat Geld übrig habe, sollte besser etwas gegen die ungleichen Mütterrenten getan werden. Etwas vornehmer drückt sich der Eifeler CDU-Bundestagsabgeordnete und CDU-Landesgeneralsekretär Patrick Schnieder aus. Seine Meinung: Die gebotene Achtung und der Respekt vor gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften erforderten nicht zwingend absolute Gleichbehandlung. "Der Staat kann Ungleiches ungleich behandeln", sagt der 44-Jährige und ergänzt: Der Wert der Ehe zwischen Mann und Frau dürfe nicht relativiert werden. Etwas umständlich formuliert es der Trierer Bundestagsabgeordnete und parlamentarische Geschäftsführer Bernhard Kaster (55). Seine Forderung: "Toleranz gegenüber allen frei gewählten Lebensformen, Bekämpfung von Diskriminierung, aber eine wie auch immer gestaltete rechtliche und pragmatische Vorhebung und Förderung der klassischen Familie mit Kindern!" Und: "Mit Veränderungen im Steuerrecht habe ich kein Problem." Aber beim Adoptionsrecht tue er sich sehr schwer, sagt Kaster. sey

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