"Unmoralisch und unanständig"

TRIER. Das Gesundheitswesen gilt mit seinen vielen Beteiligten und den zu verteilenden Geldern als besonders korruptionsanfällig.

Im Grunde genommen, so glaubt zumindest die AOK, setzt sie mit ihrem umstrittenen Betrugs-Meldesystem ("Das gleiche System benutzen auch einige Landeskriminalämter", sagt AOK-Chef Walter Bockemühl) nur das um, was Politiker und Experten seit langem fordern: Die Korruption im Gesundheitswesen muss bekämpft werden. Doch ob die Anti-Korruptionsorganisation Transparency International (TI) eine solches System im Blick hatte, als sie verkündete: "Müssen wir eine neue Kultur schaffen, die Korruption im Medizinbereich ächtet?" Wohl kaum. Denn die weltweit tätige Organisation sieht vor allem die Verantwortlichen in der Pflicht, stärker zu kontrollieren - und nicht die Bürger, Misstände anzuprangern. "Wie sollen wir denn ansonsten an Informationen kommen, wenn nicht durch anonyme Hinweise", verteidigt hingegen Bockemühl sein System. "Wir haben die Möglichkeit, zu überprüfen, ob der anonyme Hinweis, hieb- und stichfest ist. Nur wenn er wirklich plausibel ist, gehen wir ihm auch nach." "Normalerweise beschwert sich der Patient zunächst Mal bei seinem Arzt", sagt der Dauner Zahnarzt Rainer Lehnen. Mit der Einführung eines solchen anonymen Meldesystems, sei es nicht verwunderlich, "wenn junge Mediziner unser Land verlassen, um woanders zu arbeiten". Auf 20 Milliarden Euro schätzt TI den jährlichen Schaden, den kriminelle Mediziner, Apotheker, Pharmahersteller, Arbeitgeber, aber auch Versicherte und Krankenkassen durch Betrug und Korruption im Gesundheitswesen verursachen. "Es ist unmoralisch und unanständig, sich an einem System zu bereichern, das Menschen mit geringem Einkommen immer mehr belastet", kritisiert die Organisation. Deshalb fordert sie vor allem von den Ländern Maßnahmen gegen Datenmanipulationen oder falsche Werbebehauptungen von Pharma-Firmen. Konkrete Zahlen über Korruption und Ärztebetrug gibt es jedoch nicht. Das bewege sich im Promillebereich, heißt es bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Rheinland-Pfalz. Jede Abrechnung eines niedergelassenen Arztes werde überprüft, hinzu kämen Stichprobenkontrollen in Praxen. Dafür würden zwei Millionen Euro in diesem Jahr aufgewendet. Außerdem will die KV einen unabhängigen Korruptions-Beauftragten einsetzen.

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