"Unser Ziel: Eine demokratische Welt"

Washington. US-Präsident George W. Bush gibt sich in seiner Rede an die Nation als Garant der Freiheit. Das stößt bei der Opposition auf harsche Kritik - der Wahlkampf beginnt.

69 mal sei seine Rede zur Lage der Nation von Applaus unterbrochen worden, melden kurz nach dem Auftritt von George W. Bush jene Fernseh-Sender, die mitgezählt haben. Doch hatte in der Vergangenheit traditionsgemäß die Opposition den Präsidenten auf dem Kapitol mit Höflichkeitsbeifall bedacht, so rühren sich diesmal nur die Hände der Demokraten, wenn Bush in seiner 54-minütigen Ansprache an den Patriotismus appelliert - und beispielsweise den Soldaten in den Zuhörerrängen und vor den Bildschirmen zuruft: "Amerika ist stolz auf euch!" Auf der einen Seite ein Präsident, der sich als resoluter Landesverteidiger präsentiert, den Meinungen im Ausland kalt lassen ("Wir brauchen keinen Erlaubnisschein"), auf der anderen Seite prominente Demokraten wie Senator Edward Kennedy, die im Plenum immer wieder demonstrativ den Kopf schütteln oder gar kamerawirksam das Gesicht in den Händen verbergen - es ist Wahlkampfzeit. "Die Welt wandelt sich dank Amerika zum Besseren", resümiert Bush unter dem heftigen Beifall seiner Parteifreunde, verspricht eine "aktive Verteidigung des Landes". Gott habe in jedes Herz den Wunsch gepflanzt, in Freiheit leben zu wollen - und Amerikas Mission sei es deshalb, diese Freiheit zu garantieren: "Unser Ziel ist eine demokratische Welt." Dass Bush auch in Zukunft nicht von seiner aggressiven Außenpolitik abweichen will, daran lässt er keine Zweifel. Man werde die historische Aufgabe im Irak und in Afghanistan zu Ende führen. Für die Demokraten kontert Repräsentantenhaus-Sprecherin Nacy Pelosi: "Bushs Alleingangs-Außenpolitik läßt uns isoliert zurück und stiehlt die Ressourcen, die wir für Ausbildung und das Gesundheitswesen im eigenen Land brauchen." Ex-Nato-General und Präsidentschaftskandidat Wesley Clark legt nach: "Er hat unsere Verbündeten verprellt."Größter Gegenwind in der Innenpolitik

Den größten Teil seiner Rede hat Bush zuvor innenpolitischen Themen gewidmet - jenen Bereichen, in denen ihm im Wahlkampf der heftigste Gegenwind droht. Die Steuerkürzungen, die - so die Opposition - vor allem den Besserverdienenden im Land zugute gekommen sind und zu einem Rekord-Haushaltsdefizit geführt haben, sollen Bestand haben. Sie hätten, so Bush, zu einer deutlichen Verbesserung der Konjunktur geführt. Auch dies sieht man unter den Demokraten anders und verweist auf einen Verlust von 2,3 Millionen Jobs, seit der Republikaner ins Weiße Haus eingezogen sei. Und dann zündet Bush noch ein Feuerwerk für konservative Stammwähler: Eine Verdoppelung staatlicher Gelder für Schulprogramme, die Jugendliche zu sexueller Abstinenz anhalten sollen, dazu eine Absage an Bestrebungen, die "Homo-Ehe" in der US-Gesellschaft zu verankern. "Was für ein wunderbarer Abend", jubelt Bush-Beraterin Karen Hughes, als der Präsident seine Rede beendet hat, während viele Demokraten mißmutig den Saal verlassen. Keine Frage - der Wahlkampf hat begonnen.

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