Unter Verdacht: Ein Kind entführt?

Anfang Januar 1970 verbrachten wir (meine Frau, unser dreijähriger Sohn und ich) ein paar ruhige Ferientage in einem kleinen Hotel in Sinspelt, also unweit von Luxemburg. An einem sonnigen, aber eiskalten Winternachmittag fuhren wir mit unserem Auto nach Luxemburg - über den Grenzübergang Vianden.

Weder auf deutscher, noch auf luxemburgischer Seite der Grenze waren Zollbeamte, so dass wir unkontrolliert aus Deutschland aus- und nach Luxemburg einreisten. Nach rund zwei Stunden beendeten wir unseren Aufenthalt in Vianden und benutzten die gleiche Straße, über die wir gekommen waren, für die Ausreise nach Deutschland. Diesmal war der Schlagbaum vor dem Zollgebäude unten und schnell kam ein luxemburgischer Zollbeamter an unseren Wagen. Meine Frau und ich zeigten unsere Personalausweise, die wir auch prompt zurückerhielten. Ich wollte gerade abfahren, als der Zollbeamte unseren kleinen Sohn, der auf der Rückbank schlief, entdeckte. Der Zollbeamte bat um den Ausweis des Kindes; leider besaßen wir (noch) keinen. Unsere Beteuerungen, dass wir doch die Eltern seien und vor zwei Stunden eben diesen gleichen Übergang mit dem Jungen an Bord benutzt hätten, halfen uns nichts. Der Beamte sprach sofort von Kindesentführung oder -raub. Wir sahen uns schon in einem luxemburgischen Gefängnis die Nacht verbringen. Wie man sich leicht vorstellen kann, wurden viele laute Worte gewechselt. Plötzlich wurde unser Söhnchen auf der Rückbank wach, rieb seine Augen und fragte uns ganz erstaunt: "Papi, Mami, was will der Mann da? Ist der böse?" Als der Grenzbeamte das hörte, lachte er laut und gab sofort den Weg frei. Unsere erste Tätigkeit in Deutschland war, für unseren Sohn einen Kinderausweis zu beschaffen.

Willi Heinrichs, Kopp

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