Unwetter verwüsten viele Orte im Süden - Tote und Verletzte - Überschwemmungen im Rheintal

Schwäbisch Gmünd/Braunsbach/Trier · In wenigen Stunden soviel Regen wie sonst im ganzen Mai - die Sonntagsunwetter haben im Süden Deutschlands ganze Ortschaften verwüstet und mindestens vier Menschen das Leben gekostet. In Schwäbisch Gmünd spielt sich ein Drama ab.

 Ein Auto liegt am 30.05.2016 in Braunsbach (Baden-Württemberg) an eine Hauswand gespült auf einem Schuttberg. Durch heftigen Regen sind zwei kleine Bäche über die Ufer getreten, Häuser und Autos wurden beschädigt.

Ein Auto liegt am 30.05.2016 in Braunsbach (Baden-Württemberg) an eine Hauswand gespült auf einem Schuttberg. Durch heftigen Regen sind zwei kleine Bäche über die Ufer getreten, Häuser und Autos wurden beschädigt.

Foto: Franziska Kraufmann/dpa

Vier Tote und zahlreiche von Überschwemmungen gezeichnete Ortschaften: Das ist die Bilanz der Unwetternacht im Süden Deutschlands. In Schwäbisch Gmünd wurden am Montag erst nach Stunden zwei vermisste Männer tot geborgen, sie waren in einer Bahnunterführung von Wassermassen in einen Kanalschacht gesogen worden. Ein 38 Jahre alter Feuerwehrmann hatte vergeblich versucht, einen 21-Jährigen aus dem Schacht zu befreien - beide kamen um.

In Weißbach im Hohenlohekreis starb ein 60 Jahre alter Mann in einer überschwemmten Tiefgarage. Ein 13-jähriges Mädchen wollte unter einer Bahnbrücke bei Schorndorf Schutz vor dem Regen suchen und wurde dort von einem Zug erfasst und getötet.

In einer „druckschwachen Situation“ seien die Gewitter nur sehr langsam weiter gezogen, berichtete Meteorologe Martin Jonas vom Deutschen Wetterdienst (DWD). „Dementsprechend lagen die intensiven Niederschläge relativ lange über den gleichen Gebieten“ - extreme Regenmengen waren die Folge.

Die Gewittergefahr schwächte sich am Montag ab. In Nordrhein-Westfalen gab es am Montag zwar kräftige Gewitter mit Hagel und Starkregen, aber kaum Schäden. Tief „Elvira“ hatte seit dem Wochenende Gewitter, Regen und Windböen nach Mitteleuropa gebracht.

Am Montagmorgen bot sich vielerorts ein Bild der Verwüstung: Überschwemmte Straßen, zerstörte Häuser und Autos; überall Schlamm und Schutt. Wohl mit am schwersten wurde der kleine Ort Braunsbach im Norden Baden-Württembergs getroffen. Zwei Bäche verwandelten sich in einen reißenden Strom und rissen alles mit. Baumstämme wurden durch die Straßen gespült, Autos an Hauswände gedrückt oder von Schlamm und Geröll verschüttet. In Neckarsulm bei Heilbronn wurden Teile des Audi-Werks unter Wasser gesetzt, die Produktion musste zeitweise gestoppt werden.

Auch in Bayern - vor allem in Mittelfranken - richtete die Gewitterfront große Schäden an. Im thüringischen Ilmenau liefen infolge der Gewitter binnen Stunden mehr als 100 Keller voll. In Rheinland-Pfalz verursachte Hagel große Schäden in einigen Weinbergen, aus Hessen wurden Ernteschäden bei Erdbeeren und Zuckerrüben gemeldet.

Die Schifffahrt auf dem Neckar wurde wegen des Hochwassers in den Nebenflüssen am Montag eingestellt. Es herrschten hoher Wellengang und stellenweise gefährliche Strömungen an den Zuläufen, somit könnten auf dem Neckar wohl bis Mittwoch keine Schiffe durchfahren, sagte ein Sprecher des Wasser- und Schifffahrtsamts in Stuttgart. Die Bahn sperrte mehrere überschwemmte Strecken, wegen umgestürzter Bäume blieben einzelne Gleisabschnitte für Stunden unpassierbar.

Allein in Baden-Württemberg wurden von Sonntagnachmittag bis Montagmorgen rund 7000 Helfer von Feuerwehr, Technischem Hilfswerk, Rotem Kreuz, Lebensrettungs-Gesellschaft und Polizei zu mehr als 2200 Einsätzen gerufen. Innenminister Thomas Strobl (CDU) sprach den Angehörigen der Hochwasseropfer sein Mitgefühl aus: „Unsere Gedanken sind bei den Angehörigen der Toten. Ich spreche ihnen meine aufrichtige Anteilnahme aus.“

In Bayern waren die Schäden besonders groß in den Orten Flachslanden und Obernzenn bei Ansbach. Dort verwandelten sich in der Nacht zum Montag binnen kurzer Zeit schmale Bäche in reißende Flüsse und überfluteten viele Straßen und Keller, wie Einsatzleiter Thomas Müller berichtete. Erdrutsche blockierten Straßen. Verletzte habe es zum Glück nicht gegeben, sagte der Bürgermeister von Flachslanden, Hans Henninger. Im Flachslander Ortsteil Sondernohe berichtete ein Feuerwehrmann: „Das ist ein Ort der Verwüstung.“ Das von den Hängen herabschießende Wasser sei als breiter Strom durch den Ort gerauscht. Die Wassermassen hätten Autos mitgerissen, Verkehrsschilder seien wie Streichhölzer umgeknickt.

In einigen Gebieten fielen laut Wetterdienst bis zum Morgen mehr als 100 Liter pro Quadratmeter. Die größte in einer Stunde gemessene Niederschlagssumme im DWD-Messnetz fiel in Hohenthann etwa 70 Kilometer nordöstlich von München. Von 20.00 bis 21.00 Uhr prasselten dort 65 Liter auf den Quadratmeter herunter. Zum Vergleich: Der Monatsdurchschnitt für Mai beträgt für Bayern 90 Liter pro Quadratmeter, für Baden-Württemberg 96 Liter pro Quadratmeter.

Die Gewitter verlagerten sich am Montag nach Westen und Norden. Für Niedersachsen warnte der DWD vor schwerem Gewitter, für das südliche Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Berlin Brandenburg gab der DWD Vorwarnungen vor schweren Gewittern für den Nachmittag und die Nacht zum Dienstag heraus.

Die gesamte Südhälfte Deutschlands war am Montagmittag auf der DWD-Warnkarte grün eingefärbt - das bedeutet „keine Warnungen“. Ausgenommen war nur der äußerste Südwesten Baden-Württembergs. Dort warnte der DWD vor Sturmböen mit Geschwindigkeiten bis zu 85 Kilometern pro Stunde in Regionen oberhalb von 1000 Metern.

Erdrutsche und Straßensperren nach Unwetter in Rheinland-Pfalz

In der Region Trier blieb es nach Angaben der Polizei in der Nacht von Sonntag auf Montag vergleichsweise ruhig: Hier und da seien Bäume umgestürzt oder Straßen durch Überschwemmungen betroffen, es gebe aber keine Verletzten oder Sperrungen, so ein Sprecher in Trier. Im Laufe des Tages wurden wegen der Regenfälle dann doch Einsätze der Feuerwehr nötig. So war die Bahnstrecke bei Kordel (Kreis Trier-Saarburg) zeitweilig blockiert. In Trier wurde am Nachmittag eine Straße gesperrt .

Anders sah es im Mittelrheintal aus: Starkregen hat dort zu Straßensperren, Erdrutschen und zahlreichen Einsätzen der Rettungskräfte geführt. Betroffen war am Sonntagabend und in der Nacht auf Montag besonders das Gebiet um den Ort Kestert (Rhein-Lahn-Kreis). Dort wurden auf der Bundesstraße 42 vier Autofahrer von Wasser- und Geröllmassen überrascht und nach Angaben der Polizei in Koblenz kurzzeitig eingeschlossen. Verletzt wurde bei dem Unwetter niemand. Zwar habe auch andernorts in Rheinland-Pfalz Wasser teils kniehoch gestanden, nennenswerte Schäden habe es aber vor allem im Mittelrheintal gegeben, sagte ein Sprecher des Lagezentrums in Mainz am Montagmorgen.

In St. Goarshausen nahe der berühmten Loreley verwandelte sich im Ortsteil Wellmich der Wellmicher Bach den Angaben zufolge zwischenzeitlich in einen reißenden Strom, der Ufer- und Straßenbefestigungen mit sich riss. Ein Wagen wurde oberhalb des Ortsteils von Geröllmassen eingeschlossen. Eine Gasleitung wurde von Wassermassen unterspült, dort waren Feuerwehr, Technisches Hilfswerk (THW) und ein Gasversorger im Einsatz. Die Leitung sei aber nicht beschädigt worden, die Unterspülung werde mit Sand wieder aufgefüllt, sagte ein Polizeisprecher in Koblenz. Vorsorglich mussten dennoch fünf Anwohner ihre Häuser verlassen.

Bei Datzeroth im Kreis Neuwied kam es zu einem Hangrutsch, die halbe Fahrbahn einer Landstraße wurde dort verschüttet. Ein Autofahrer erkannte das zu spät und beschädigte seinen Wagen leicht. Die L 255 musste zunächst voll gesperrt werden.

In Mainz meldete die Feuerwehr eine ganze Reihe von Fehlalarmen von Brandmeldern - vermutlich wegen Luftdruckschwankungen. So ging etwa eine Brandmeldeanlage in einer Lackfabrik im Stadtteil Mombach gleich zwei Mal los und musste von einer Wartungsfirma wieder zurückgestellt werden. Einen ähnlichen Vorfall gab es in einem Möbelhaus in Mainz-Mombach. Dort durchkämmten Feuerwehrleute das gesamte Gebäude, ohne ein Feuer zu entdecken, und mussten auch hier die Anlage zurückstellen.

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