US-Wahlkampf: Klarer Punktsieg für Mitt Romney

Denver/Washington · Der Republikaner Mitt Romney hat das erste Fernsehduell gegen Präsident Obama gewonnen. Er argumentierte freundlich-attackierend. Beobachter beschreiben Obama dagegen als langatmig unpräzise.

Denver/Washington. Als am Ende, nachdem sich die Kontrahenden auf der Bühne der Universität Denver nach 90 Minuten Rede-Duell noch einmal die Hände geschüttelt haben, abgerechnet wird, gibt es im Berater-Team von Präsident Barack Obama lange Gesichter. Die Blitzumfrage des Senders CNN zeigt, dass 67 Prozent der Wähler den Herausforderer Mitt Romney für den Sieger bei der ersten von drei zur besten Sendezeit live übertragenen Debatten halten. Eine Einschätzung, die wenig später auch zahlreiche Analysten und am nächsten Morgen die großen US-Tageszeitungen teilen werden.
Denn der rote Faden lautet hier: Obama, der sonst so große Rhetoriker und Kommunikator, zeigte sich gegenüber dem hart, aber freundlich attackierenden Romney langatmig-unpräzise, oft defensiv und wenig souverän. Vier Minuten mehr Redezeit beanspruchte Obama dank eines wenig souveränen Moderators - doch profitiert hat er davon nicht. Ist der Sieg von Denver nun die Wende für den Republikaner, der an den Tagen zuvor immer wieder lesen musste, dass ein schlechter Auftritt seiner Bewerbung das Rückgrat brechen könnte?
Bisher profitierte Obama, in den Umfragen bis Mittwochabend noch landesweit und in wichtigen Bundesstaaten wie Ohio und Florida deutlich vorn, vor allem von einem Faktor: Trotz weiter hoher Arbeitslosigkeit und stotternder Wirtschaft halten ihn die Amerikaner für vertrauenswürdiger und sympathischer als Romney. Doch der Debattenabend hat möglicherweise auch hier die Karten neu gemischt: Denn erstmals zeigte eine Umfrage gestern, dass die Bürger den Republikaner knapp vorne sehen, was diese beiden Aspekte angeht.
Das dürfte daran liegen, dass der sonst gerne als unnahbar, hölzern und unpersönlich klassifizierte Romney gleich am Anfang des Duells bewies, dass er auch charmant sein kann. "Ich bin sicher, das war der romantischste Ort, den sie sich vorstellen konnten. Hier mit mir . . ." witzelt er, als er den Obamas zum Hochzeitstag gratuliert. Doch mit Freundlichkeiten ist es schnell vorbei, als es um das Haushaltsdefizit, die Steuerpolitik, die hohen Benzinpreise und die umstrittene Gesundheitsreform geht. Und als der Multimillionär und Mormone glaubt, der Präsident nehme es mit der Wahrheit und den ernüchternden Zahlen nach vier Jahren Amtszeit nicht so genau, wirft er ihm mit einem freundlichen Lächeln sogar Lügen vor - aber elegant: "Mr. Präsident, Sie haben ein Recht aufs eigene Flugzeug, aufs eigene Haus, aber nicht auf eigene Fakten."
Auch vermeidet Romney, der noch auf seiner jüngsten Europareise in jede Menge Fettnäpfchen getreten war, diesmal souverän schlimme Patzer.
Doch ganz ohne Kritik geht der Abend nicht ab: Am Ende fühlt sich die spanische Regierung schlecht behandelt, weil Romney mit Blick auf die Schuldenlage der Nation vor spanischen Verhältnissen warnt. Und im Kurznachrichtendienst Twitter folgt ein massiver Proteststurm, als der Bewerber ankündigt, dem staatlich stark subventionierten Sender PBS die Zuschüsse streichen zu wollen - was wiederum Folgen für die dort laufende "Sesamstraße" und den gelben Vogel "Big Bird" - in Deutschland als "Bibo" bekannt - hätte.
"Ich mag PBS und ich mag Big Bird," hatte Romney formuliert, "aber ich werde die Subventionen trotzdem streichen."
Meinung

Chance vertan
Barack Obama hat in seiner noch jungen Karriere einige glanzvolle Reden gehalten. Doch was ist von dem einst großen "Yes we can"-Visionär geblieben? Der ernüchternde Debatten-Auftritt vom Mittwochabend zeigte einen in die Defensive gedrängten Präsidenten, der seinem Kontrahenten Mitt Romney nahezu kampflos die Wortführung überließ. Und der es versäumte, den Finger in die offenen Wunden des Herausforderers zu legen: Wie die Analyse Romneys, die 47 Prozent Obama-Unterstützer im Land seien Sozialschmarotzer. Das war Wählerbeleidigung pur. Auch die Vergangenheit Romneys als "Heuschrecken"-Kapitalist, der seine Gewinne dann auch in karibischen Steuerparadiesen anlegte, blieb unerwähnt. Von Obama ergab sich nun ein Bild, das auch Insider im Weißen Haus zeichnen: Ein Politiker, der von sich selbst so überzeugt ist und seine Ansichten für das Maß aller Dinge hält. Stellt er dieses Verhalten in den noch ausstehenden zwei Debatten weiter zur Schau, könnte es für ihn am 6. November noch einmal knapp werden. Zumal Obama das Problem hat, dass die Plattform jener Errungenschaften, mit denen er nach vier Jahren wuchern kann, tatsächlich dünn ist - und einige Versprechen Obamas wie der Abbau der Staatsschulden gebrochen wurden. Noch zeigen die Umfragen einen klaren Vorsprung des Amtsinhabers. Doch Mitt Romney hat bewiesen, dass er das Feld nicht kampflos überlassen wird. nachrichten.red@volksfreund.de

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