Verbraucherministerin Ilse Aigner steht plötzlich mitten im Sturm

Der Dioxin-Skandal bringt Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner in Bedrängnis. Die CSU-Politikerin wehrt sich und setzt jetzt auf Tempo.

Berlin. Dioxin in Futtermitteln, in Eiern, in Hühner- und Schweinefleisch - mal wieder verstehen die Verbraucher die Lebensmittelwelt nicht mehr. Und es hat den Anschein, dass keiner ihnen sagen kann oder will, ob das Frühstücksei, die Hähnchenkeule oder das Schnitzel noch genießbar sind. Auch Ilse Aigner nicht. Die Meldungen über die Dioxin-Panscherei überschlagen sich von Tag zu Tag, die Politik hechelt wie so oft bei Lebensmittelskandalen einfach hinterher. Ebenso die zuständige Bundesministerin.

Die 46-jährige Aigner trägt an dem Skandal eindeutig keine Schuld. Dahinter steckt vielmehr kriminelle Energie. Es heißt, womöglich handele es sich um einen Fall von illegaler Abfallbeseitigung. Verantwortlich für die Lebensmittelüberwachung sind die Länder, mit denen der Bund seit dem letzten Gammelfleischskandal lediglich beim Daten- und Faktenaustausch deutlich besser kooperiert. Trotzdem weiß auch die Ministerin, dass sie unabhängig von Schuld und Zuständigkeiten politisch verantwortlich ist für den Agrarsektor und dass so ein Vorfall schnell ihr eigenes politisches Schicksal in eine ungute Richtung lenken kann - wenn sie nicht richtig handelt. Vor allem, wenn sie falsch kommuniziert.

Zu spät habe sie sich zu Wort gemeldet, zu weit den Skandal von sich gewiesen und zu vage seien die Konsequenzen, die sie aus der Dioxinverseuchung ziehen wolle: So lautet die Kritik an der Ministerin. Und: Wer außerdem auf Vorschläge der Futtermittelwirtschaft warte, um illegale Machenschaften künftig zu verhindern, der mache den Bock zum Gärtner.

Die Regierungsfraktionen stärken Aigner indes den Rücken. In der Union weiß man, was man an der adretten Ministerin hat. Manch einer räumt allerdings ein, dass sich die CSU-Frau in der Dioxin-Krise in Details verheddere, statt auf klare Botschaften zu setzen.

Aigner hört die Kritik wohl. Ihre Strategie: erst den Sachverhalt solide klären, um dann zu reagieren. Von Beginn an war das ein gewagtes Vorgehen, weil Skandale eine atemberaubende Dynamik entwickeln können. Nun schaltet Aigner auf Tempo: Morgen will sie einen Aktionsplan gegen Dioxin in Lebensmitteln vorlegen.

Die Ministerin hat offenkundig registriert, dass sich der Wind zu ihren Ungunsten gedreht hat. Eine für sie neue Erfahrung. Denn die gelernte Elektrotechnikerin aus Oberbayern ist längst zum anerkannten verbraucherpolitischen Aushängeschild der Koalition geworden. So gibt es kaum ein verbraucherpolitisches Thema, auf das die Ministerin nicht als eine der ersten gesprungen ist: von Abzocke am Telefon über die Gebühren an Bankautomaten bis zum Anlegerschutz.extra Dioxin-Fleisch im Handel: Das Fleisch von rund 150 mit dioxinverseuchtem Futter gemästeten Schweinen ist möglicherweise in den Handel gekommen. Das Land Niedersachsen musste sich gestern korrigieren, nachdem es noch am Dienstag Entwarnung gegeben hatte. Mehrere rheinland-pfälzische Schlachthöfe und Zerlegebetriebe werden wegen des Skandals um verseuchtes Futter auf Dioxin untersucht. Das hat Verbraucherschutzministerin Margit Conrad (SPD) am Mittwoch in Mainz angekündigt. Es würden in den kommenden Tagen 27 Proben in neun unterschiedlichen Firmen gezogen und im Landesuntersuchungsamt analysiert, sagte die Ministerin. Der im Zentrum des Dioxin-Skandals stehende Futterfett-Hersteller Harles und Jentzsch in Uetersen (Schleswig-Holstein) hat unterdessen Insolvenzantrag gestellt. (dpa)

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