Verlierer, die Gewinner werden

BERLIN. Einmal hat er sich weich klopfen lassen und nachgegeben - doch weitere Zugeständnisse in Sachen Hartz-Gesetze kommen nicht in Frage. "Von nichts und niemandem", sagte Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement am Donnerstag gewohnt energisch in Berlin.

 "Ich habe alle Änderungen vorgeschlagen": Wirtschaftsminister Wolfgang Clement sieht sich nicht als Hartz-Verlierer.Foto: dpa

"Ich habe alle Änderungen vorgeschlagen": Wirtschaftsminister Wolfgang Clement sieht sich nicht als Hartz-Verlierer.Foto: dpa

Foto: A3361 Stephanie Pilick (dpa)

Am Abend zuvor hatte er eine Niederlage einstecken müssen beim Krisengipfel zu Hartz IV im Kanzleramt, doch Sportsfreund Clement drehte den Spieß einfach um: "Es gibt Verlierer in der Geschichte, die später als Gewinner erscheinen." Jedenfalls hat die rot-grüne Bundesregierung, gegen den anfänglichen Widerstand Clements, auf den Druck der Straße und mancher Medien reagiert. Der umstrittene Auszahlungstermin für das Arbeitslosengeld II wird (von Februar auf Anfang Januar) vorgezogen, und der Sparerfreibetrag für die Kinder von Leistungsbeziehern wird deutlich von 750 auf 4100 Euro erhöht. Damit glaubt die Koalition den Erfordernissen genüge getan zu haben. Mehr sei nicht drin, sagte Clement vor der Presse, um ungefragt die Beurteilung seiner Rolle im Streit um die Nachbesserungen zu kommentieren: "Die Journalisten müssen sich schon entscheiden, welches Klischee sie bedienen wollen. Ob ich nun der Trotzkopf bin, der starrsinnig und mit schnarrender Stimme durch die Weltgeschichte zieht. Oder ob ich mich einsichtig gegen Argumente gezeigt und Beweglichkeit demonstriert habe." Beide Beschreibungen treffen zu. Clement war klug genug zu wissen, dass er der Forderung des Kanzlers, des SPD-Parteivorsitzenden Franz Müntefering und des grünen Koalitionspartners nicht würde widerstehen können. Zu offensichtlich war das politische Missbrauchspotenzial der strittigen Punkte, und zu nah waren die nächsten Wahlen (in Sachsen, Brandenburg, Saarland, Nordrhein-Westfalen). Also setzte sich der Minister an die Spitze der Bewegung ("Das habe ich vorgeschlagen") und machte dabei eine ordentliche Figur. Am Ende war sogar die Opposition zufrieden, die den Korrekturen zustimmen will. "Wir sagen im Grundsatz ja", erklärte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Volker Kauder, nach einem Telefonat mit seiner (urlaubenden) Chefin Angela Merkel. Allerdings wolle man sich genau ansehen, was in dem Gesetzentwurf steht. Rot-Grün hatte im Kanzleramt vereinbart, die "Konkretisierungen" nicht wie erst geplant auf dem Verordnungswege, sondern per Gesetz zu regeln. Auch CSU-Chef Edmund Stoiber begrüßte die Korrekturen. Zugleich verlangte er von der Bundesregierung aber eine "Prüfliste", ob noch weitere Härtefallregelungen nötig seien. Nichts sei schlimmer, als abermals nachbessern zu müssen. Positiv äußerten sich auch der nordrhein-westfälische CDU-Vorsitzende Jürgen Rüttgers ("Ein ordentliches Ergebnis") und sogar der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband ("Ausgesprochen positives Signal"). Allerdings halten sowohl der Verband als auch die Gewerkschaften weitere Nachbesserungen für nötig. Das Arbeitslosengeld II sei zu niedrig, meinte Verbands-Geschäftsführer Ulrich Schneider in Berlin. Auch dem DGB-Vorsitzenden von Sachsen-Anhalt, Udo Gebhardt, reichen die Korrekturen bei weitem nichts aus. Das Problem von Hartz IV seien die Zumutbarkeitsregeln und das niedrige Niveau der Leistungen. Solange sich daran nichts ändere, werde es weitere Demonstrationen geben. Dies betonte auch Wilfried Helbig vom Sozialforum in Leipzig: "Hartz ist nicht korrigierbar", das Gesetz müsse komplett zurückgenommen werden. Bei den Montagsdemonstrationen erwarte er noch mehr Zulauf.

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