Verlierer ist das Land

Deutschland hat den Stillstand gewählt. Mithin war dieser Wahlsonntag kein guter Tag für das Land. Es hatte deshalb schon fast surreale Züge, wie sich die Spitzenleute der Parteien am Wahlabend als Sieger gerierten.

Deutschland hat den Stillstand gewählt. Mithin war dieser Wahlsonntag kein guter Tag für das Land. Es hatte deshalb schon fast surreale Züge, wie sich die Spitzenleute der Parteien am Wahlabend als Sieger gerierten. Denn mit Ausnahme der SED-Nachfolgerin Linkspartei/PDS sind alle Verlierer: SPD und Grüne haben die Macht verloren. Union und Liberale haben sie verfehlt. Mit den politischen Schmuddelkindern um Lafontaine und Gysi will niemand reden, geschweige denn regieren. Und für eine Ampelei unter roten wie unter schwarzen Vorzeichen will die FDP auf keinen Fall zur Verfügung stehen. Somit zeichnet sich ab, was in den letzten Wochen bereits zu befürchten war: eine große Koalition. Daran kann auch der gespenstische Auftritt von Gerhard Schröder am Wahlabend nichts ändern. Doch eine große Koalition bedeutet Lähmung, allenfalls geringfügige Bewegung auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner bei einer hauchdünnen Ein-Stimmen-Mehrheit im Bundesrat.Dabei wäre es ein gewaltiges Pensum an Hausaufgaben, das die künftige Bundesregierung in den nächsten vier Jahren zu stemmen hätte: Die Eckpunkte des Aufgabenfeldes sind bekannt, Lösungen längst überfällig: Wirtschaftswachstum, neue Arbeitsplätze, Bürokratie-Abbau, Steuerreform, ein tragfähiges neues Rentensystem, Reform des Gesundheitswesens, Abbau der Staatsverschuldung, international konkurrenzfähiges Bildungssystem. Und das sind nur die "Großbaustellen" in dieser Republik.

Angela Merkel als Kanzlerin einer großen Koalition ist mit diesem bescheidenen Wahlergebnis im Rücken zu schwach, um zukunftsgerichtete Reformen entschieden vorantreiben zu können. Zu schwach gegenüber einem Koalitionspartner. Und zu schwach gegenüber ihren Rivalen in der eigenen Partei, deren Stunde zur Abrechnung mit der ungeliebten Seiteneinsteigerin noch aussteht.

Dabei müsste es jetzt in dieser Republik um eine Neuvermessung der Verantwortungsräume zwischen Staat und Gesellschaft gehen. Bleibt diese aus, dürfte es bei der nächsten Bundestagswahl in vier Jahren zu einer gravierenden Verwerfung der Parteienlandschaft kommen. Das sind keine guten Aussichten für das Land - den größten Verlierer dieser Wahl.