Verpasste Chance

Der Deal im Hartz-Prozess hinterlässt einen schalen Nachgeschmack. Nicht, wie viele glauben, wegen des Strafmaßes. Peter Hartz hat keine Promi-Sonderkonditionen bekommen, zwei Jahre auf Bewährung wären wohl auch bei einem weniger prominenten Angeklagten ein realistischer Tarif.

Immerhin hat er nicht in die eigene Tasche gewirtschaftet. Das, was er getan hat, könnte unter anderen Umständen und zu anderen Zeiten als erfolgreiche Geschäftspolitik gelten: potenzielle Störfaktoren mit Geld ausschalten, Gegner gegen Bares auf die eigene Seite ziehen. Nur, dass er dabei ein paar strafrechtliche Grenzen überschritten hat. Dafür zwei Jahre auf Bewährung plus die Geldstrafe plus der gesellschaftliche Absturz: Da muss man nicht nach höheren Strafen gieren. Aber mit der Absprache "Geständnis gegen Bewährung" hat das Gericht auch die Chance vergeben, im Rahmen einer exakten Beweisaufnahme das trübe Umfeld auszuleuchten. Der Fall Hartz ist abgewickelt - effektiv, flott, kraftsparend, bequem und mit einem Ergebnis, das inklusive Beweisaufnahme auch nicht viel anders ausgesehen hätte. Justizbetriebswirtschaftlich gesehen eine Ideallösung. Aber ist der Zweck eines Gerichtsverfahrens nicht auch, Mechanismen aufzudecken, unter denen Rechtsbrüche zustande kommen? Im Namen des Volkes zu klären, wie es sein kann, dass Manager jedes Augenmaß verlieren? Dass Arbeitnehmervertreter sich schmieren lassen wie in einem drittklassigen Mafia-Film? Und dass niemand etwas davon gemerkt haben will? Da hätte man doch gerne die Zeugen gesehen, die honorigen Aufsichtsräte und die wackeren Gewerkschafter, die mit den korrupten Akteuren auf beiden Seiten per Du waren, aber jetzt nichts mehr wissen wollen. Der Fall Hartz ist abgewickelt. Ob man das schon Rechtsfindung nennen kann, steht auf einem anderen Blatt. d.lintz@volksfreund.de

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