Medizin Versorgungsprobleme trotz Ärzte-Booms

Das Bundesgesundheitsministerium setzt nun auf eine bessere Verteilung der Mediziner.

 Ein Hausarzt misst in seiner Praxis einer Patientin den Blutdruck.

Ein Hausarzt misst in seiner Praxis einer Patientin den Blutdruck.

Foto: dpa/Bernd Weissbrod

Berlin Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) warnt vor einem akuten Ärztemangel. Dabei ist die Zahl der Mediziner in Deutschland auf Rekordniveau. Kritiker sehen das Problem eher in einer ungleichen Verteilung der „Halbgötter in Weiß“.

 Nach Angaben der KBV fehlen in Deutschland aktuell mehr als 8000 Mediziner. Davon rund 5000 im Klinikbereich sowie gut 3000 in den Praxen. „Allein 2636 Hausarztsitze sind offen“, sagte eine Sprecherin der Organisation auf Anfrage unserer Redaktion. KBV-Chef Andreas Gassen hatte schon am Wochenende in einem Interview gewarnt: Ohne ein Gegensteuern werde man „in fünf bis zehn Jahren eine Versorgung haben, die auch nicht mehr ansatzweise auf dem Niveau von heute liegt“.

Nun haben sich allerdings noch nie so viele Mediziner um das gesundheitliche Wohlbefinden der Bevölkerung in Deutschland gekümmert wie heute. Ende 2017 waren bei den Berufsverbänden gut 506 000 Ärzte registriert – knapp 10 000 mehr als noch im Jahr zuvor. Diese Entwicklung geht jedoch in erster Linie auf Zuwächse bei den Klinik- sowie den angestellten Ärzten in den Praxen zurück. Dagegen ist die Zahl der niedergelassenen Doktoren schon seit fünf Jahren tendenziell im Sinkflug. 2017 gab es nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 118 356 niedergelassene Ärzte. Das waren etwa 1300 weniger als im Jahr davor. Auch die demografische Entwicklung geht an den Praxen nicht spurlos vorüber. So ist mittlerweile etwa jeder dritte niedergelassene Arzt älter als 60 Jahre.

Von einem Ärztemangel will man im Bundesgesundheitsministerium trotzdem nicht reden. Es gebe „eher ein Verteilungsproblem als ein quantitatives Problem“, hieß es dort. Noch deutlicher wird der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV): „Seit 1990 hat die Anzahl an Ärzten um über 60 Prozent zugenommen. Wir haben in Deutschland keinen Ärztemangel, aber teilweise steht ein Überangebot in bestimmten Regionen einer zu geringen Anzahl an Ärzten in anderen Regionen gegenüber“, sagte GKV-Sprecher Florian Lanz mit Blick auf die geltende Bedarfsplanung für eine ausgewogene haus- und fachärztliche Versorgung. Freilich steht diese Planung schon länger in der Kritik. Das Problem: In Regionen, die wegen ihrer hohen Praxisdichte als überversorgt gelten, kann es auch Orte geben, in denen das glatte Gegenteil der Fall ist. Daher müsse die Bedarfsplanung „regional kleinteiliger werden“, so ein Sprecher des Gesundheitsministeriums.

Schon der frühere Ressortchef Hermann Gröhe (CDU) hatte Besserung versprochen. So sollten die Kassenärztlichen Vereinigungen stärker dazu angehalten werden, Arztsitze aufzukaufen und stillzulegen, wenn Mediziner in den Ruhestand gehen und es sich um Praxen in überversorgten Regionen handelt. Allgemeinmediziner, die in unterversorgten, also meist ländlichen Gebieten praktizieren, können dagegen auf mehr Honorar hoffen. Doch der Erfolg hält sich in Grenzen. Wohl auch deshalb, weil die Regelungen nach Einschätzung des GKV-Spitzenverbandes wegen zahlreicher Ausnahmen zu löchrig sind.

 Für eine Wende zum Besseren könnte der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) von Ärzten und Krankenkassen sorgen. Das Gremium ist gesetzlich beauftragt, die Richtlinien der Bedarfsplanung auf ihre Praxistauglichkeit zu überprüfen. Mögliche Anpassungen sollen im kommenden Jahr in Kraft treten.

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