Verstand vor Emotionen

Eine beruhigende und eine beunruhigende Erkenntnis lassen sich aus dem Verlauf der Ermittlungen im Potsdamer Überfall gewinnen. Die beruhigende: Der Rechtsstaat hier zu Lande funktioniert. Auch wenn eine Straftat zum heftig umstrittenen Politikum wird, gelten für die Verdächtigen ganz normale Gesetze.

Der Tatverdacht gegen die beiden mutmaßlichen Täter ist nicht so handfest, dass es akzeptabel wäre, sie weiter in Haft zu halten. Ergo sind sie freizulassen. Und wenn die Beweislage es erfordert, wieder festzunehmen. Das ist so wenig ein Beweis ihrer Unschuld wie ihre Verhaftung ein Beweis ihrer Schuld war. Jetzt auf die Bundesanwaltschaft einzuprügeln, hat keinen Sinn. Sie musste angesichts der Verdachtslage und des öffentlichen Aufsehens das Verfahren an sich ziehen - und sei es nur deshalb, um die örtlichen Strafverfolger im Fall eines Scheiterns vor dem Verdacht zu bewahren, sie hätten die Sache aus lokalen Interessen heruntergespielt und unzureichend ermittelt. Die beunruhigende Erkenntnis aus dem Fall Potsdam: Er hat einmal mehr gezeigt, wie gerne wir etwas glauben, was gerade gut ins Bild oder in die Stimmung passt. Der eingebildete Schwimmbadmord von Sebnitz, die angebliche Kollaboration von Susanne Osthoff mit ihren Kidnappern: Es reichen ein paar dürre Indizien und ein paar dicke Schlagzeilen, und das Urteil der öffentlichen Meinung ist gefällt. Aber unkritische "Hab-ich's-doch-gewusst-Gefühle" sind kein guter Ratgeber. Und öffentliche Debatten, die am Rand der Hysterie geführt werden, bringen selten gute Ergebnisse. Was übrigens kein Argument dagegen ist, sich mit vorhandenen Missständen gründlich und ernsthaft auseinander zu setzen. Aber tunlichst mit Verstand und nicht mit Emotionen. d.lintz@volksfreund.de

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