Vertrauen oder Kontrolle

Es ist gerade mal 20 Jahre her, da gingen die Deutschen zum Schutz ihrer persönlichen Daten auf die Barrikaden. Viele, und beileibe nicht nur die üblichen Verdächtigen, wollten ihrem Staat nicht einmal anvertrauen, wo und wie sie wohnen.

Die Volkszählung konnte damals nur unter Aufbietung aller Folterinstrumente des Rechtsstaats durchgesetzt werden.Das klingt heute absurd. Mit der Digitalisierung des Zahlungsverkehrs, der Kommunikation und immer mehr Dienstleistungen haben die Bürger längst die Hoheit über ihre Daten abgegeben. Handys, Internet, Kartenzahlung, Personalausweis, Fernseh-Abo: Überall schwirren abrufbare Informationen über die Daten-Autobahnen. Man mag das mit Unbehagen sehen, zurückdrehen kann man diese Entwicklung nicht. Technisch ist der gläserne Bürger längst Realität, und die einzige Bremse sind klare rechtliche Grenzen für den Zugriff.Wenn sich aber die moderne Gesellschaft für diese Form von digitalem Transfer entschieden hat, kann der Staat nicht die einzige Institution sein, deren Zugriffsmöglichkeiten im Zeitalter des Aktenordners stehen geblieben sind. Weil Kriminelle - keineswegs nur Terroristen, da reicht auch der organisierte Steuer-Hinterzieher - von den Möglichkeiten der EDV profitieren, muss auch der Staat die Chance haben, in einem verhältnismäßigen Rahmen die Daten-Zugangsmöglichkeiten zu nutzen. Da ist es vertretbar, Telefonnummern (nicht etwa -gespräche) für ein halbes Jahr zu speichern. So wie es zum Beispiel auch möglich sein muss, Bilder aus Autobahn-Überwachungskameras zur konkreten Ermittlung eines Kapitalverbrechers zu nutzen.Wenn der Bürger dem Staat so viel Eingriff in seine Privatsphäre gestatten soll, setzt das freilich ein hohes Maß an Vertrauen voraus. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn die Daten-Profile einem autoritären, rechtsstaatlich fragwürdigen System zur Verfügung stünden. Jede Regelung, die die staatliche Kompetenz erweitert, muss also mit genau definierten Grenzen versehen werden, die auch dauerhaft verbindlich sind. Dieses Gefühl hat man in den letzten Jahren in Deutschland nicht immer. Gesetze werden unter dem Eindruck echter oder vermeintlicher Bedrohungen übers Knie gebrochen, nach Gusto verschärft. Und nun schwafelt der Innenminister gar von einem Umdrehen der Beweislast, wenn es um Terrorismus geht. Wer so mit rechtsstaatlichen Prinzipien spielt, fordert das Misstrauen der Menschen heraus. d.lintz@volksfreund.de

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