Verunsicherung bei der Abwrackprämie

Nach dem Daten-Chaos bei der elektronischen Reservierung gibt es jetzt auch Verunsicherung über die künftige Höhe der Abwrackprämie. Wie Regierungssprecher Thomas Steg gestern erklärte, werden die 2500 Euro garantiert für rechtsverbindliche Prämienanträge fällig, die bis zum 31. Mai bei der zuständigen Bundesbehörde Bafa eingehen. Bei später eingereichten Anträgen könnte die Förderung sinken.

Berlin. In der Großen Koalition kursieren seit Tagen Überlegungen, beim Neuwagenkauf ab dem 1. Juni nicht mehr die volle Prämie für ein verschrottetes Altfahrzeug zu zahlen, sondern 1500 Euro oder noch weniger. Am 31. Dezember soll das Programm dann ersatzlos auslaufen. Für die zweite Jahreshälfte wäre auch noch eine stufenweise Senkung der Prämie denkbar. Steg versicherte aber, dass es bislang keine politische Festlegung gebe. Vielmehr werde das Kabinett "voraussichtlich" bei seiner nächsten Sitzung am Mittwoch entscheiden, "wie die Förderung ab dem 1. Juni aussehen soll".

Die Nachricht dürfte bei vielen Neuwagen-Interessenten Ärger auslösen. Noch in der Vorwoche hatte die Regierung den Eindruck erweckt, dass die Prämie ohne Abstriche bis Ende Dezember weiter gezahlt wird. Am vergangenen Montag erklärte ein Regierungssprecher, er habe "nicht den geringsten Hinweis darauf, dass es zu Veränderungen der Modalitäten kommen" werde. Steg suchte den Vorwurf des Wortbruchs mit dem Hinweis zu zerstreuen, dass die Regierung schon deutlich über ihre ursprünglichen Beschlüsse zur Abwrackprämie hinausgegangen sei. Zunächst sollte der Fördertopf auf 1,5 Milliarden Euro begrenzt bleiben. Abzüglich der Verwaltungskosten hätte das Geld nur für knapp 600 000 Antragsteller gereicht. Die entsprechende Festlegung im Rahmen des zweiten Konjunkturpakets kollidierte allerdings mit dem riesigen Interesse der Autokäufer. Allein bis Ende März waren beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) 470 000 Prämienanträge gestellt worden. Durch die seit ein paar Tagen mögliche Online-Reservierung kamen auf einen Schlag rund 700 000 Anträge hinzu. Damit kostet die Abwrackprämie den Staat bereits das Doppelte der ursprünglich veranschlagten Fördersumme. Vor diesem Hintergrund will die Regierung nun offenbar die Notbremse ziehen.

Über das weitere Vorgehen bei der Abwrackprämie wird auch innerhalb der Koalitionsparteien gestritten. Während sich Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) mit Regierungschefin Angela Merkel (CDU) grundsätzlich einig darüber ist, die Förderung zu verändern, warnte der konservative SPD-Flügel vor einem solchen Schritt. Sein Sprecher, der Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs, sagte, die Prämie sei immer gewollt gewesen. "Ich verstehe nicht, warum man sie kappen will." Auch CDU-Vize Christian Wulff plädierte dafür, die Prämie in unveränderter Höhe beizubehalten. Dagegen verteidigte Unionsfraktionsvize Michael Meister eine mögliche Kürzung. "Wichtig ist, dass bis 31. Mai Klarheit herrscht", sagte Meister unserer Zeitung. "Aber es braucht auch eine Strategie, wie man aus der Prämie wieder herauskommt." Ein planbarer Rückzug sei sinnvoll. Das gelte im Hinblick auf die öffentlichen Haushalte "und die Marktverwerfungen, die sich mittlerweile eingestellt haben". CSU-Chef Horst Seehofer empfahl indes eine Denkpause: Mögliche Änderungen des Zuschusses müssten "sehr ruhig" überlegt werden.

Meinung

Schwarz-Rot in der Falle

Die Große Koalition hat sich in eine Falle manövriert. Egal, was Union und SPD zur Abwrackprämie demnächst einfällt, der Ärger ist programmiert. Im Moment ist die Regierung drauf und dran, Zehntausende Autofahrer zu verunsichern. Bis eben noch hatte sie den Eindruck erweckt, der staatliche Zuschuss werde bis zum Jahresende in voller Höhe bezahlt. Nun kommt es womöglich anders, weil die Kosten der politischen Gabenfreude entgegenwirken. Die Bürger werden diese Nachricht als einen weiteren Beitrag zum Prämien-Chaos empfinden, das die Regierung angerichtet hat. Statt eine klare Linie zu ziehen, verspielt sie auch hier Vertrauen. Aber nicht nur potenzielle Autokäufer dürften sauer sein. Die Autoindustrie wird sich ebenfalls über Merkel & Co. mokieren. Muss sie doch fürchten, schon zur Jahresmitte in ein tiefes Loch zu fallen. Die Große Koalition darf nur darauf hoffen, im September abgewählt zu werden. Dann müsste sich eine andere Regierung um die Geister kümmern, die Union und SPD gerufen haben. Eine von ihnen wird aber garantiert wieder am Kabinettstisch sitzen. Auf ihr lastet dann die Entscheidung, was aus der Abwrackprämie wird. nachrichten.red@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort