Viehhandel mit Milliarden

Im Grunde ist die Übernahme des kleinen Stahl-Riesen Arcelor durch den großen Stahl-Riesen Mittal Steel nur ein weiterer, konsequenter Schritt im unaufhaltsamen Konzentrationsprozess der Branche. Der Stahl boomt dank wachsender Nachfrage von Ländern mit Nachholbedarf, und deshalb haben die Global Player viel Geld in der Tasche, um ihren Einkaufsgelüsten frönen zu können.

Die Gewinner teilen sich die Beute, Mittal kriegt Arcelor, zum Ausgleich darf sich ThyssenKrupp Dofasco einverleiben. Das ist im Grunde wie Viehhandel, nur eben mit Milliarden. Wenn der Vorgang trotzdem eine nähere Betrachtung lohnt, dann mit Blick auf den Standort und dessen Historie. Es geht, immerhin, um den größten privaten Arbeitgeber Luxemburgs mit mehr als 7000 Jobs. Transport- und Zulieferindustrie nicht gerechnet. Freilich hat Arcelor bereits so stramm mit Rationalisierung und Personalabbau losgelegt, dass es mit Mittal Steel wohl auch nicht viel schlimmer kommen kann. Interessant ist der Rückblick. Arcelor, das war unter anderem auch mal Arbed, ein Konzern mit großem Namen in der Region Saar-Lor-Lux. Arbed, Saarstahl, Röchling, Maxhütte: Namen aus Zeiten, da noch Regierungskonferenzen über den Erhalt oder Abbau von Arbeitsplätzen in der Stahlindustrie entschieden. Das war im vorangegangenem Jahrhundert. Jetzt wird gekauft und verkauft, produziert und abgebaut, ohne dass Standort-Interessen die geringste Rolle spielen. Bislang hatte Arcelor immerhin noch seinen Sitz in Luxemburg, künftig wird der Rest davon ein kleines Rädchen in einer Maschinerie sein, die von London oder Neu Delhi aus gesteuert wird. Auch das ist ein hoch spannendes Phänomen: Mit Lakshmi Mittal wird ein Firmenlenker die unumstrittene Nummer Eins in der Welt, der seinen Aufstieg in einem Krauter-Betrieb in der indischen Provinz begann. Die einstige "dritte Welt" schlägt zurück, es ist nicht mehr automatisch so, dass die Giganten aus den westlichen Industriestaaten den Deal bestimmen. "Fressen und gefressen werden" ist das eherne Marktgesetz. Mancher, der sich dabei bislang automatisch auf der Seite der Gewinner sah, wird sich noch umsehen. Für die bislang Wohlhabenden bedeutet das nicht unerhebliche Risiken. Aber für die, die bislang immer draufgezahlt haben, auch ein Stück Gerechtigkeit. d.lintz@volksfreund.de

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