Viel Qualm um nichts

BERLIN. So ungefähr verläuft auch die kurze Existenz eines Luftballons: Am Anfang große Kraftanstrengung, damit sich überhaupt was tut, dann immer weiter aufblasen und am Ende: Peng. Das lange diskutierte Nichtraucherschutzgesetz des Bundes platzte gestern, kaum dass man sich über Details geeinigt hatte, mit lautem Knall.

Wegen Bedenken des Innen- und Justizministeriums, dass der Bund für die Regelung gar nicht zuständig sei, wird das Kabinett am nächsten Mittwoch nur das Qualmen in seinen eigenen Ministerialbüros sowie in der Bahn untersagen, wurde mitgeteilt. Gaststätten, Schulen und Krankenhäuser bleiben vorerst ungeregelt - weil sie Ländersache sind. Das Gesundheitsministerium hatte sich noch am Mittwoch auf der sicheren Seite gewähnt. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk (SPD) verteilte ein Rechts-Gutachten an Journalisten, wonach der Bund zuständig sei für den Nichtraucherschutz. Bei "Maßnahmen gegen gemeingefährliche Krankheiten" wie auch beim "Recht der Gifte" dürfe der Bund im Wege der konkurrierenden Gesetzgebung tätig werden. Warnungen des Innen- und des Justizministeriums schlug sie damit in den Wind. Doch zur gleichen Zeit tagte im Kanzleramt unter Leiteung seines Chefs Thomas de Maizière eine Krisenrunde mit den vier beteiligten Ministern Wolfgang Schäuble (Inneres), Brigitte Zypries (Justiz), Horst Seehofer (Verbraucher) und Ulla Schmidt (Gesundheit) und entschied: Die Risiken einer Verfassungsklage sind zu groß, der Bund kann den Nichtraucherschutz nicht so umfassend regeln, wie es die Arbeitsgruppe des Bundestages vorhatte. Denn seit der Föderalismusreform sind die Länder klar für die Gaststätten, Schulen, Hochschulen und Krankenhäuser zuständig. Aber genau für diese Bereiche hatte die Arbeitsgruppe Rauchverbote vorgesehen. Sie sollten Restaurants und Diskos sowie alle öffentlichen Gebäude, Busse, Bahnen und Krankenhäuser umfassen, es sei denn, für die Raucher existieren abgetrennte Räume. Schulen und Kindergärten sollten ganz rauchfrei bleiben. Nur in Kneipen, Bars und Bierzelten hätte man weiter qualmen dürfen. Das Gesundheits- und das Verbraucherministerium waren an diesen Vorschlägen beteiligt. Jetzt will die Kanzlerin am nächsten Mittwoch mit den Ministerpräsidenten nur noch über eine gemeinsame Initiative gegen das Rauchen reden. Das nach vielem Hin und Her ausgearbeitete Konzept wird dabei nicht einmal die Grundlage sein, denn man werde, so Regierungssprecher Ulrich Wilhelm, den Landtagen nicht vorschreiben können, wie sie den Nichtraucherschutz regeln sollen. Wichtig sei, sich auf das gemeinsame Ziel zu verständigen.Die Debatte beginnt wieder bei null

Vielerorts wird die Debatte also wieder bei null beginnen. Auf die Frage, warum man die Verfassungsprobleme nicht früher gesehen habe, hieß es gestern im Gesundheitsministerium lapidar: "Hinterher ist man immer schlauer." Wilhelm verneinte, dass es Managementfehler des Kanzleramts bei der Koordinierung gegeben habe. Es sei immer klar gewesen, dass man die Rechtslage nach Vorliegen der Empfehlungen der Bundestags-Arbeitsgruppe prüfen werde, sagte er. Dass die Regierung nun den Verfassungsbedenken folgt, stieß gestern auf heftige Kritik in den eigenen Reihen. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sprach von einer "Bankrotterklärung gegenüber der Tabaklobby". Überall in Europa sei ein Nichtraucherschutz möglich, nur in Deutschland nicht. Auch Ärztekammerchef Jörg-Dietrich Hoppe warf der Regierung vor, "durch die Propaganda der Tabakindustrie völlig vernebelt zu sein". Einige Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen kündigten gestern bereits an, sich nun an eigene Regelungen zu machen.

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