Viele deutsche Babys und eine Mutti auf den Wahlplakaten der Region

Trier · Der Bundestagswahlkampf hat seinen Höhepunkt erreicht. Noch nie wurden die Deutschen von den Wahlplakaten aller Parteien so abgetörnt wie dieses Mal. Eine etwas überspitzte Analyse.

 Mit diesen Plakaten wollen die Parteien die Wähler überzeugen –

Mit diesen Plakaten wollen die Parteien die Wähler überzeugen –

Foto: Friedemann Vetter (Ve._) ("TV-Upload Vetter"
 AfD-Chefin Frauke Petry setzt auf den Niedlichkeitsfaktor Baby und posiert sogar mit ihrem viermonatigen Sohn.

AfD-Chefin Frauke Petry setzt auf den Niedlichkeitsfaktor Baby und posiert sogar mit ihrem viermonatigen Sohn.

Foto: AfD (g_pol3 (Af)
 Mit diesen Plakaten wollen die Parteien die Wähler überzeugen –

Mit diesen Plakaten wollen die Parteien die Wähler überzeugen –

Foto: Friedemann Vetter (Ve._) ("TV-Upload Vetter"
Viele deutsche Babys und eine Mutti auf den Wahlplakaten der Region
Foto: Friedemann Vetter (Ve._) ("TV-Upload Vetter"

In wenigen Tagen haben wir es geschafft. Es ist Bundestagswahl, und alle Wahlberechtigten dürfen endlich ihr Kreuzchen machen. Endlich, denn damit endet dann auch die unsägliche Bemüllung von Straßen und Laternen mit mehr oder weniger sinnvollen Sprüchen, mehr oder weniger bekannten Gesichtern und der Beliebigkeit politischer Programme. Wer's nicht glaubt, probiert's einfach aus und lässt sich von seinem Mitfahrer wahllos herausgefischte Parteiplakate vorlesen und versucht, sie einer Partei spontan zuzuordnen - es wird in vielen Fällen austauschbar sein.

Beispiel gefällig? "Warten wir nicht länger", "Keine Lust auf weiter so", "Es ist Zeit": Abgesehen davon, dass eine gewollte Wechselstimmung mit solch wenig leidenschaftlichen Aussagen kaum zu erreichen ist, sind diese auch niemandem eindeutig zuzuordnen. Von Provokationen, Sprachspielen und emotionsgeladenen Fotos ganz zu schweigen. Das, was das Salz in der Suppe eines jeden Wahlkampfs ist, ist diesmal ein fader Einheitsbrei. Wer Wähler hinterm Ofen hervorlocken möchte, hat damit ganz schlechte Karten.

Die Union setzt auf zwei Dinge: auf die Kanzlerin und auf ein "Weiter so". Stellvertretend dafür der Slogan: "Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben." Da möchte man doch glatt fragen: Und warum hat die Union das bislang nicht für alle geschafft? Angesichts von so wenig Verve und Überfrachtung mit Kompromisskanzlerin Angela Merkel haben es selbst unsere Lokalmatadoren Patrick Schnieder, Peter Bleser und Andreas Steier schwer, sich in die Herzen der Bundesbürger zu lächeln. So viel Mutti war nie.

Personen, Personen, Personen: Wer die Plakate der SPD überhaupt in der Öffentlichkeit entdeckt, sieht einen Martin Schulz, der in der Region von der Bundesministerin Katarina Barley und den Newcomern Jan Pauls und Benjamin Zilles flankiert wird. Darüber hinaus? Wahlaussagen und Plakate, die man nur per Zufall entdeckt: Weiße Schrift auf rotem Grund, die unauffälliger nicht sein könnte. Und ein Plädoyer für mehr Europa, das zumindest in der Region Trier mit seinen 30 000 Grenzgängern ein Selbstläufer ist. Überraschende Verbal-Attacken, Sprachwitz, Leichtigkeit? Fehlanzeige.

Die nochoppositionellen Liberalen dagegen versuchen, mit Christian Lindner pur und seinen heimischen Mitstreitern in Form einer modernen H&M-Klamottenkampagne in Schwarz-Weiß-Aufnahmen Aufmerksamkeit zu erregen. Schade nur, dass vor lauter Text die regionalen FDP-Akzente etwa für eine bessere Verkehrs infrastruktur für Grenzpendler im Neon-Farben-Wirrwarr verloren gehen.

Ähnlich die Grünen, die Aussage über Aussage auf ein Din-AO-Plakat pinnen und ganz aufs Image der einstigen Ökosprüche à la "Jute statt Plastik" setzen. Gähn! Beispiel: "Zwischen Mensch und Natur passt kein oder", "Umwelt ist nicht alles, aber ohne sie ist alles andere nichts". Auch hier schade: Triers Lokalmatadorin Corinna Rüffer wirbt fürs Abschalten des Pannenmeilers Cattenom - allerdings so knapp in der Aussage und ungeschickt mit ihrem eigenen Porträt, dass ein Schelm auf den Gedanken kommen könnte, die Grüne selbst per Nicht-Wahl abzuschalten.

Rente, Armut, Pflege, Steuern: Die Linke schafft es, alle Themen von der Außenpolitik (Waffenlieferungen) bis zur Sozialpolitik (Menschenrechte) abzuarbeiten - allerdings mit dem Elan gemeinsamer ost- wie westdeutscher Bürokratie und Ein-Wort-Slogans, die mehr der Erklärung bedürfen als sie selbst abgeben. Für Kandidaten wie die Linken-Bundestagsabgeordnete Katrin Werner aus Trier ist es daher schwer, herauszuragen und das allumfassende Thema der sozialen Gerechtigkeit vor sich herzutragen.

Bleibt noch die AfD als potenziell im Bundestag vertretene Partei. "Bürger an die Macht", "Sicherheit für Land und Bürger": Alles schon mal dagewesen und nicht neu. Im Gegenteil. Dass ausgerechnet die Rechtspopulisten für "Bunt statt Burka" werben, lässt dann doch an den Wahlkampfstrategen der Wutbürger zweifeln.

Zumal die "Trau-dich-Strategen" auch noch auf den Niedlichkeitsfaktor Baby setzen: Eine Parteichefin Frauke Petry, die mit ihrem viermonatigen Sohn überlebensgroß in Deutschland posiert, und der Zeugungsaufruf an alle nationalbewussten Deutschen - "Neue Deutsche machen wir selber". Wenn sich da mal nicht in manch einem Schlafzimmer doch der aktive Widerstand gegen weitere Nationalisten regt.

Was bleibt also übrig vom Wahlkampf 2017? Ganz viele Babys und eine Mutti.

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