Innere Sicherheit Viele „Reichsbürger“ horten Waffen

Berlin · Es boomt in allen „Geschäftsfeldern“: Der neue Verfassungsschutzbericht verzeichnet höhere Gewaltbereitschaft – links wie rechts.

 Ein Polizeisprecher zeigt im Wuppertaler Polizeipräsidium sichergestellte Waffen von sogenannten Reichsbürgern.

Ein Polizeisprecher zeigt im Wuppertaler Polizeipräsidium sichergestellte Waffen von sogenannten Reichsbürgern.

Foto: dpa/Roland Weihrauch

Hans-Georg Maaßen ist mittlerweile seit sechs Jahren Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Er weiß also, wovon er spricht. Bei der Vorstellung des neuen Verfassungsschutzberichtes in Berlin resümierte Maaßen: „In all unseren Geschäftsfeldern boomt es weiter – leider.“ Soll heißen, es gibt keine Entwarnung. Und fast überall wächst die Gewaltbereitschaft.

Das Fazit von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) fiel ähnlich aus. Die Gegner der freiheitlichen Gesellschaft gingen „entschlossen vor“. Dagegen müsse man sich schützen. „Und das können wir auch“, so Seehofer. Im neuen Bericht sind die Problemgruppen aufgelistet:

Rechtsextremisten. Die Verfassungsschützer gehen von rund 24 000 Personen in diesem Bereich aus. Davon sind 12 700 gewaltbereit. Etwas mehr als noch im Jahr 2016. Die Zahl der Straftaten ist von 22 471 auf 19 467 gesunken. Vor allem die Zahl der Gewalttaten ging zurück: 2017 waren es 1054, ein Jahr zuvor 1600. Gab es im Jahr 2016 noch 907 Angriffe auf Flüchtlingsheime, so waren es letztes Jahr 286. Laut Maaßen hat die Bedeutung der Asyl-Debatte in der Szene abgenommen. Besondere Sorge bereitet dem Dienst aber die Zunahme rechtsextremer Musikveranstaltungen – allein ins thüringische Themar kamen im Juli 2017 rund 6000 Teilnehmer. Hier würden Jugendliche „angefixt“, warnte Maaßen.

Reichsbürger. Sie werden immer mehr. 16 500 im letzten Jahr gegenüber 10 000 in 2016. Inzwischen, so Seehofer, hätten die Behörden sogar schon 18 000 dieser Personen im Visier, weil sie die Existenz der Bundesrepublik ablehnen. Der größte Teil (74 Prozent) ist männlich und älter als 40 Jahre. Nur 900 davon galten jedoch als Rechtsextremisten. Die Steigerung begründet die Behörde mit einer verbesserten Erkenntnislage, mit Nachahmungseffekten und damit, dass die „Reichsbürger“ selbst aktiver geworden sind. Neben einer großen verbalen Aggressivität habe die Szene eine „hohe Affinität zu Waffen“, erläuterte Seehofer. Laut Bericht sind sie auch bereit, sie „für schwerste Gewalttaten einzusetzen“. 1100 „Reichsbürger“ verfügen demnach aktuell über einen Waffenschein. 450 wurde die Erlaubnis bereits entzogen.

 Ein Mann zeigt ein Heft mit dem Aufdruck „Deutsches Reich Reisepass“. „Reichsbürger“ erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht an.

Ein Mann zeigt ein Heft mit dem Aufdruck „Deutsches Reich Reisepass“. „Reichsbürger“ erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht an.

Foto: dpa/Patrick Seeger

Linksextremisten. Die brutalen Ausschreitungen beim G-20-Gipfel im Juli vergangenen Jahres seien Beleg für das „beispiellose Mobilisierungspotential aller Strömungen des Linksextremismus“, befand Seehofer. „Die Gewaltbereitschaft ist alarmierend.“ So stieg die Zahl der Delikte von 5230 auf 6393. Davon waren 1648 Gewalttaten. Insgesamt verzeichnet der Verfassungsschutz 9000 gewaltbereite Linksextremisten, 500 mehr als noch 2016.

Islamisten. 25 810 Personen rechnet der Verfassungsschutz dieser Szene zu. Vor allem die Zahl der Salafisten stieg um über 1000 auf 10 800 Personen. In dem Bericht wird für 2017 ein Anschlag mit islamistischem Hintergrund angeführt, nämlich der Messerangriff eines abgelehnten Asylbewerbers in einem Hamburger Supermarkt, bei dem ein Mensch getötet und sechs verletzt wurden. Laut Seehofer gibt es in Deutschland 740 Gefährder, „denen wir die Begehung schwerer Straftaten zutrauen“. Sie stünden unter genauer Beobachtung. Erneut sprach sich der Minister für schnellere Abschiebungen aus. Es sei „überlegenswert“, die Zuständigkeit dafür von den Ländern dem Bund zu übertragen. Maaßen sprach von einer „anhaltend großen Bedrohung“. Allerdings weniger durch Terrorkommandos, sondern durch Einzeltäter.

 Horst Seehofer (CSU, rechts), Bundesminister für Inneres, Heimat und Bau, präsentiert neben Hans-Georg Maaßen, dem Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, den Verfassungsschutzbericht 2017.

Horst Seehofer (CSU, rechts), Bundesminister für Inneres, Heimat und Bau, präsentiert neben Hans-Georg Maaßen, dem Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, den Verfassungsschutzbericht 2017.

Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Spione. Der Verfassungsschutz hat 2017 Spionage vor allem durch russische, chinesische und iranische Geheimdienste registriert. Während russische Dienste ein breites Spektrum abdecken, verschiebt sich bei den chinesischen Spähern der Fokus von Wirtschafts- auf politische Spionage. Der Iran wiederum hole gegenüber Russland und China im Bereich von Cyberangriffen auf. Laut Maaßen gibt es allein 52 000 Angriffsmails pro Monat auf das Regierungsnetzwerk.

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