Viele Vorurteile zur Kriminalität stimmen nicht

Berlin · Mit einer Erfolgsmeldung konnte der neue Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) gestern sein erstes Amtsjahr beginnen. Die Zahl der angezeigten Straftaten lag mit 5,93 Millionen im Jahr 2010 erstmals unter der Sechs-Millionen-Grenze, und die Aufklärungsquote war mit 56 Prozent so hoch wie seit 1993 nicht.

Berlin. Trotz erfreulicher Fakten hielt sich Friedrich mit Jubel zurück. Denn die Statistik entspricht nicht dem Gefühl vieler Bürger.
"Ich glaube nur der Statistik, die ich selbst gefälscht habe", soll Churchill einmal gesagt haben. Das gilt auch für die jährlichen Kriminalitätsstatistiken, die immer vom sich verändernden Anzeigeverhalten der Bürger und bestimmten Zählweisen beeinflusst sind, wie Friedrich selbst einräumte. Ein Langzeitvergleich zwischen 1993 und 2010 allerdings erlaubt durchaus Rückschlüsse - und widerlegt manche gängigen Vorurteile.
Aussage: Deutschland wird immer krimineller und die Behörden tun nichts dagegen.
Falsch. Nimmt man als Maßstab die Häufigkeit erfasster Straftaten auf jeweils 100 000 Einwohner, so ergibt sich ein Rückgang von 8337 im Jahr 1993 auf 7253 Fälle im Jahr 2010. Und die Aufklärungsquote stieg im gleichen Zeitraum kontinuierlich von damals 43,8 Prozent auf die heutigen 56 Prozent. Mord und Totschlag (3216 Fälle) werden heutzutage zu 95,4 Prozent aufgeklärt, Vergewaltigung, Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Rauschgiftdelikte liegen alle zwischen 81,7 und 94,7 Prozent Aufklärung. Einbrecher werden hingegen nur zu 15,9 Prozent erwischt.
Aussage: Immer mehr Ausländer sind kriminell.
Falsch. 2010 wurden insgesamt 2,15 Millionen Tatverdächtige registriert, von denen 472 000 nicht die deutsche Staatsangehörigkeit hatten. Das sind 21,9 Prozent. Rechnet man jene Straftaten heraus, die prinzipiell nur Ausländer begehen können, etwa Verstöße gegen Aufenthaltsbestimmungen, beträgt der Anteil an den Verdächtigen 20 Prozent. Das ist immer noch weit mehr als der Anteil an der Bevölkerung von 8,5 Prozent. Aber wesentlich weniger als 1993, als jeder dritte Verdächtige Ausländer war.
Aussage: Im Süden und auf dem Land ist es sicherer.
Stimmt. Bayern liegt mit aktuell 4958 registrierten Straftaten pro 100 000 Einwohner auf Platz eins, gefolgt von Baden-Württemberg (5324) und Thüringen (6136). Städte haben generell ein weit höheres Kriminalitätsniveau, weshalb die Stadtstaaten Berlin (13 798), Bremen (13 463) und Hamburg (12 669) die Ländertabelle anführen. Auf der reinen Städteliste liegen allerdings noch Frankfurt mit 15 977 Fällen und Hannover (14 653) vor ihnen. Es gibt aber auch Großstädte, in denen es relativ friedlich zugeht, allen voran München mit 7684 Kriminalitätsfällen je 100 000 Einwohner.
Aussage: Das Hauptproblem ist die Gewaltkriminalität.
Stimmt teilweise. Im Langzeitvergleich haben Raub und schwere Körperverletzung im Jahr 2007 ihren Höhepunkt gehabt. Seitdem sind die Zahlen rückläufig. Anhaltend ansteigend ist die vorsätzliche leichte Körperverletzung, die sich seit 1993 auf jetzt 191 000 Fälle verdoppelt hat.

Die Polizeiliche Kriminalstatistik erfasst die von der Polizei bearbeiteten Verbrechen und Vergehen sowie die ermittelten Tatverdächtigen. Nicht eingeschlossen sind Ordnungswidrigkeiten, Staatsschutzdelikte und einige Verkehrsdelikte. Ebenso werden unter anderem auch Verstöße gegen strafrechtliche Landesgesetze und Versammlungsgesetze der Länder nicht berücksichtigt. dpa

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