Volksfreund-Interview mit Bischof Ackermann: "Mir ist der Trierer Dom lieber als der Kölner"

Trier · Fünf Jahre ist es her, dass Triers Bischof Stephan Ackermann zuletzt Gast in der Volksfreund-Redaktionskonferenz war. Höchste Zeit für eine Fortsetzung. Zwei Stunden nahm sich der 51-Jährige diese Woche Zeit, um mit Volksfreund-Redakteuren über Gott und die Welt zu reden.

Herr Bischof, Sie haben sich schon mehrfach zum Terror im Nahen Osten geäußert: Was denken Sie in Bezug auf die steigenden Flüchtlingszahlen aus den betroffenen Ländern?
Ackermann: Das ist ein Punkt, der mich in den vergangenen Monaten viel beschäftigt hat. Einerseits müssen wir als Bistum natürlich schauen, wie wir helfen können. Klar ist: Wir können in Deutschland mehr tun als bisher. Andererseits sagen uns die Bischöfe in den betroffenen Ländern wie Syrien oder dem Irak: Ihr heißt die Flüchtlinge willkommen, uns aber laufen die Christen weg. Tragt bitte mit dazu bei, dass die Menschen in ihrer Heimat bleiben können.

Sie sagen, wir können mehr tun als bisher: Was bedeutet das konkret?
Ackermann: Wir brauchen eine neue, gerechtere Verteilung der Flüchtlinge. Dabei muss nach den Möglichkeiten der einzelnen Länder geschaut werden. In Italien kommen zwar viele Flüchtlinge an, aber das Land ist eher Durchgangsstation.

Was tun Sie als Bischof konkret gegen das Flüchtlingselend?
Ackermann: Als Kirche wollen wir mit dazu beitragen, dass die Fremdenfeindlichkeit nicht steigt. Ich habe den zuständigen Ministern in Rheinland-Pfalz und im Saarland signalisiert: Wenn es einen Bedarf etwa an Immobilien gibt, sagt es uns. Ich war auch schon in der Trierer Aufnahmeeinrichtung, hab mir die Situation dort angeschaut. Ich habe unserem Caritasdirektor gesagt, wenn Geld für eine gute Betreuung gebraucht wird, stelle ich Mittel bereit. Wir haben zudem einen Fonds aufgelegt, der mit 250 000 Euro gefüllt ist. Mit dem Fonds soll unbürokratisch und schnell geholfen werden.

Brauchen wir nicht auch eine langfristige Lösung?
Ackermann: Wir müssen uns darauf einstellen, dass der Flüchtlingsstrom nicht abebben wird. Das ist keine kurzfristige Sache. Es muss also auch eine längerfristige Strategie geben, eine richtige Einwanderungspolitik. Die Zäune in Südeuropa höher zu ziehen ist jedenfalls keine Lösung.

Der ehemalige Trierer Weihbischof Felix Genn hat diese Woche angeregt, die Zahl der Priesterseminare zu reduzieren und die Unterkünfte für "normale" Studenten zu öffnen. Was halten Sie von diesem Vorschlag?
Ackermann: In der Priesterausbildung kommen wir nicht an einer Konzentration vorbei, da hat Felix Genn recht. Die Zahl der Priesteramtskandidaten geht nun einmal weiter zurück. Aber es ist ein schwieriges Feld. Wir Bischöfe tun uns nicht leicht damit etwas aufzugeben, zumal dann, wenn es an einer Priesterausbildungsstätte auch eine Theologische Fakultät gibt, wie etwa in Trier.

Sie haben es eben angesprochen: Die Zahl der Priester sinkt weiter. Deshalb wollen Sie jetzt angeblich vermehrt Priester oder Ordensangehörige aus Indien ins Bistum holen. Inwiefern stimmt das?
Ackermann: Die Situation ist dramatisch. Natürlich liegt das auch an den gewachsenen pfarrlichen Strukturen, die wir bis jetzt haben. Zu Indien: Jede Woche schreiben indische Ordensobere oder Bischöfe, die sagen: Wir haben Nachwuchs, wir können Leute schicken. Sie tun das einerseits aus einer missionarischen Haltung heraus. Andererseits fördern sie natürlich mit dem hier verdienten Geld den Aufbau ihrer Ordensgemeinschaft in Indien. Wir haben uns im Bistum auf die Kennzahl geeinigt, dass wir uns zehn Prozent ausländische Priester vorstellen können.

Ist das Ende des Priestermangels somit nur eine Frage der Zeit?
Ackermann: Das wird uns ja nicht retten, genauso wenig wie die Abschaffung des Zölibats oder die Einführung eines Frauenpriestertums. Unser Problem ist die Struktur: Da müssen wir gegensteuern. Wir brauchen eine Pfarrei der Zukunft. Deshalb ist auch die von mir einberufene Synode wichtig: als Beratungsgremium, aber auch um die Menschen mitzunehmen. Mit leichten kosmetischen Veränderungen kommen wir nicht mehr weiter. Das wird schmerzlich und nicht ohne Kontroversen abgehen.

Immer häufiger schieden zuletzt auch Priester aus, weil sie nicht länger im Verdeckten mit ihrer Freundin oder ihrem Freund zusammenleben wollten, sondern offen. Ist es nicht höchste Zeit, Priestern die Ehe zu erlauben?
Ackermann: Das ist nicht die Lösung, wie wir bei den Protestanten sehen. Der Zölibat ist für mich gesetzt. Mich als Bischof beschäftigt eher die Frage, wie ich es schaffe, diese Lebensform zu stabilisieren. Vor dem Hintergrund größer werdender Zuständigkeitsbereiche macht vielen Priestern das Alleinsein zu schaffen. Das ist sozusagen eine verschärfte Form des Zölibats. Ich mache mir Gedanken, wie das geändert werden kann. Früher haben Priester teilweise auch in kleinen Gemeinschaften zusammengelebt. Da gab es Stiftskirchen, von denen aus die Priester ein größeres Gebiet betreut haben. Ich glaube, dass wir wieder stärker in diese Richtung gehen müssen.

Die katholische Kirche will ihr Arbeitsrecht modifizieren. Auf welche Neuerungen können sich die Beschäftigten einstellen?
Ackermann: Es stimmt, das Arbeitsrecht wird derzeit überarbeitet, soll mehr den unterschiedlichen Lebenssituationen gerecht werden. So sollen etwa wiederverheiratete Geschiedene nicht mehr um ihren Job fürchten müssen. Dabei muss man sagen, dass es schon heute keinen Kündigungsautomatismus gibt. Wir wollen aber noch einmal präziser fassen, woran sich Loyalität dem kirchlichen Arbeitgeber gegenüber festmacht. Macht sich Loyalität vor allem an der Lebensform fest oder an anderen Dingen? Ich bin zuversichtlich, dass wir da vorankommen. Wir brauchen in diesem Punkt eine Anpassung.

Wie schnell ist damit zu rechnen?
Ackermann: Ich gehe davon aus, dass wir noch in diesem Jahr zu einer Entscheidung kommen.

Die Saarbrücker Oberbürgermeisterin Charlotte Britz hat Sie kürzlich darum gebeten, Kündigungen von homosexuellen Mitarbeitern auszuschließen. Was antworten Sie Frau Britz?
Ackermann: Ich bin auch in diesem Punkt für eine entsprechende arbeitsrechtliche Anpassung. Denn ich kenne ja homosexuelle Mitarbeiter, die ganz loyal zu ihrer Kirche stehen. Ich habe der Oberbürgermeisterin signalisiert, wenn sie davon hört, dass es in einer kirchlichen Einrichtung in diesem Punkt Probleme gibt, könne sie sich ruhig an mich wenden.

Es gibt Gerüchte, wonach die Wochenzeitung Paulinus in eine Mitgliederzeitschrift umgewandelt werden soll. Was ist dran? Und wie ist dies mit den Sparbeschlüssen vereinbar?
Ackermann: Der Sparbeschluss gilt, beim Paulinus wurden zwei Stellen abgebaut. Wahr ist, die Auflage sinkt, die Leserschaft wird kleiner. In anderen Bistümern gibt es bereits eine Mitgliederzeitschrift. Wir überlegen noch, was wir machen sollen. Lassen wir alles beim Alten? Wandeln wir den Paulinus in eine Mitgliederzeitschrift um? Oder machen wir zusätzlich zum Paulinus eine Mitgliederzeitschrift, die mehrmals im Jahr in alle katholischen Haushalte kommt? Noch ist die Entscheidung nicht gefallen. Klar ist: Wenn wir eine Zeitschrift herausbringen, müssen wir natürlich Geld in die Hand nehmen.

Wie enttäuscht sind Sie, dass Sie nicht Nachfolger von Kardinal Meisner in Köln geworden sind?
Ackermann: Ich habe nie darauf spekuliert, bin sehr gerne Bischof von Trier. Ich habe schon alle Mühe, das hier ordentlich zu machen.

Aber Sie sind doch ehrgeizig?
Ackermann: Das schreiben Sie immer. Was ist denn an dem Riesentanker Köln so viel faszinierender als Trier?

Das Erzbistum ist reich, hat den berühmten Kölner Dom …?
Ackermann: …ein Kulturdenkmal ersten Ranges. Aber: Der Kölner Dom ist im Winter auch ziemlich kalt. Da müsste ich in der Christmette wahrscheinlich drei lange Unterhosen anziehen. Nein, danke! Da ist mir der Trierer Dom lieber. seyExtra

Stephan Ackermann wird am 20. März 1963 in Mayen geboren. Nach dem Abitur studiert er Theologie in Trier und Rom. Dort wird er 1987 auch zum Priester geweiht. Im Jahr 2000 promoviert Ackermann, sechs Jahre später weiht der damalige Trierer Bischof Reinhard Marx den zuvor als Regens des Studienhauses in Lantershofen in der Priesterausbildung eingesetzten Theologen zum Weihbischof. Seit Mai 2009 ist Stephan Ackermann Bischof von Trier. Im Jahr darauf wird er von der Deutschen Bischofskonferenz zusätzlich zum kirchlichen Missbrauchsbeauftragten ernannt. seyExtra

Brasilientrip: Stephan Ackermann fliegt heute für zehn Tage nach Brasilien. An der Spitze einer zwölfköpfigen Delegation, zu der auch Weihbischof Robert Brahm und Dompropst Werner Rössel gehören, besucht Ackermann trierstämmige Kirchenvertreter im Süden Brasiliens. sey

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