Vom Dritten Weg abgekommen

Was ein echter Tarifkonflikt ist, sieht man derzeit in Ostdeutschland. Streikende Metaller und Beschäftigte der Elektroindustrie legen ganze Betriebe lahm, Arbeitgeber drohen im Gegenzug mit Aussperrungen oder Standortschließungen. Weil derart drakonische Mechanismen "Kirchens" zuwider sind, gibt es bei ihnen den so genannten Dritten Weg. Der besagt, dass sich katholische Arbeitgeber und Arbeitnehmer in gleicher Weise der Kirche und ihrem Auftrag verpflichtet wissen und strittige Dienst- und Arbeitsrechtsfragen gemeinsam und einvernehmlich regeln. So weit die graue Theorie. Im Bistum Trier scheinen einige Akteure zwischenzeitlich vom rechten Weg abgekommen zu sein. Anders ist der schon Monate schwelende Streit zwischen Generalvikariat und Mitarbeitervertretungen jedenfalls nicht zu erklären. Dabei ist es im Nachhinein völlig uninteressant, wer denersten Stein geworfen hat. Fakt ist: Gerade angesichts der bevorstehenden Strukturreform kann keiner Seite daran gelegen sein, dass die Kluft zwischen Kirchenoberen und ihren Angestellten noch größer wird. Den ersten Schritt in Richtung Entkrampfung des angespannten Verhältnisses müssen nun allerdings die machen, die am längeren Hebel sitzen - allen voran Bischof Reinhard Marx und sein oberster Verwaltungschef Werner Rössel. Warum eigentlich schauen die beiden mächtigen Kirchenmänner nicht mal nach Mainz, wo Kardinal Lehmann unlängst alle 170 Mitarbeitervertretungen zu einem "Tag der Begegnung" einlud, um "ins Gespräch zu kommen und sich näher kennen zu lernen"? Das klingt jedenfalls eher nach dem so gern beschworenen "Dritten Weg", als die gegenseitigen Schuldzuweisungen, versteckten Drohungen und Nadelstiche, die das Klima zwischen Trierer Generalvikariat und vielen kirchlichen Mitarbeitern vergiftet haben. r.seydewitz@volksfreund.de

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