Vom Elend und der Hoffnung auf ein besseres Leben

Trier · Sie nehmen unmenschliche Strapazen auf sich, um vor dem Bürgerkrieg und aus der Not ihrer Heimat zu fliehen. Jeden Tag kommen neue Flüchtlinge in der zentralen Aufnahmeeinrichtung des Landes in Trier an.

Trier. 15 Tage. So lange hat die Flucht von ihrer Heimat, einem kleinen Dorf an der israelischen Grenze in Syrien, gedauert. 15 Tage voller Ungewissheit und Angst. In der Nacht ist die 24-jährige Syrerin Lina Al Khatib mit ihrem sieben Jahre älteren Bruder Ibrahim in Trier angekommen. Doch die zentrale Aufnahmeeinrichtung in der Trierer Dasbachstraße ist nur Durchgangsstation. In dem kargen Mehrbettzimmer neben der Essensausgabe warten die Geschwister darauf, dass sie zum Bahnhof gebracht werden. In einer Stunde geht ihr Zug ins hessische Gießen, in die dortige Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber. Die Aufnahmekapazität in Rheinland-Pfalz ist erschöpft. 100 Flüchtlinge sind in der Nacht zusammen mit dem Geschwisterpaar in Trier eingetroffen. Manchmal seien es bis zu 200 am Tag, sagt der stellvertretende Einrichtungsleiter, Thomas Pütz. Manche kämen mit Koffern und vollem Gepäck. Andere gerade mal mit einer Plastiktüte und dem, was sie am Leib haben.
Bomben und Bürgerkrieg


Fast alle haben eine ähnliche Odyssee hinter sich wie Lina und ihr Bruder. Sie sind von den Bürgerkriegskämpfen in Syrien geflohen. Ihr Dorf sei bombardiert, ihr Haus zerstört worden, erzählt die 24-Jährige, die Journalismus studiert hat. Ein Teil ihrer Familie sei in die Hauptstadt Syriens, nach Damaskus geflohen. Sie und ihr Bruder wollten mit dem Schiff fliehen. Doch das Boot, voll besetzt mit 180 Flüchtlingen, ist vor der libyschen Küste gekentert. 90 Menschen konnten gerettet werden. Er und seine Schwester seien an Land geschwommen, erzählt Ibrahim. Die Flucht habe sie über Italien und Frankreich nach Deutschland geführt. Mit Autos, dem Zug und im Flugzeug seien sie unterwegs gewesen. Mal zusammen mit 20 Flüchtlingen, am Schluss mit vier, mit denen sie in der Nacht in Trier angekommen seien, sagt Lina.
Nach der Flucht neue Odyssee


Was sie nun in Deutschland erwartet, weiß sie nicht. Die beiden sind erst einmal froh, dem Bürgerkriegshorror in ihrem Heimatland entflohen zu sein. Lebend. Die meisten der bis zu 900 in der ehemaligen französischen Kaserne lebenden Flüchtlinge haben ein ähnliches Schicksal hinter sich. Nach ihrer Ankunft in Trier ist ihre Odyssee noch nicht zu Ende.
Höchstens sechs Wochen bleiben sie hier, dann werden sie verteilt. Auf irgendwelche Kommunen. Nach einem bestimmten Verteilungsschlüssel. Untergebracht werden sollen sie in privaten Wohnungen. Doch die gibt es nicht in der Fülle, wie sie derzeit benötigt werden. Und nicht für das Geld, das die Kommunen vom Land für Aufnahme von Asylbewerbern zahlt: 502 Euro pro Flüchtling pro Monat. "Während dieser Betrag bei Familien mit Kindern die Kosten in der Regel abdeckt, reicht er bei Einzelpersonen nicht aus", sagt Thomas Müller, Sprecher der Kreisverwaltung Trier-Saarburg. 360 Euro Lebensunterhalt stehe den Flüchtlingen im Monat zu, eine Wohnung koste im Schnitt 400 Euro. Damit seien mindestens 260 Euro nicht durch die Pauschale des Landes gedeckt. Im Vulkaneifelkreis rechnet man sogar mit bis zu 900 Euro Kosten monatlich pro Asylbewerber.
Unterbringung auch in Pensionen


"Das Geld vom Land reicht nicht aus", sagt Ralf Frühauf, Sprecher der Trierer Stadtverwaltung. Im Gegensatz zu den Kommunen in den vier Landkreisen hat Trier den Vorteil, dass der Stadt nur wenige Asylbewerber zugeteilt werden. Weil sie die zentrale Aufnahmeeinrichtung in Trier-Nord und eine Außenstelle in einer ehemaligen Bundeswehrkaserne im Stadtteil Euren beheimatet.
Trotzdem gibt es Probleme bei der Unterbringung. Einige Flüchtlinge leben in Pensionen. Je nach Größe der Wohnung würden auch mehrere Flüchtlinge in einem Haus untergebracht, heißt es aus der Kreisverwaltung Bernkastel-Wittlich. Allerdings habe jeder Asylbewerber oder jede Flüchtlingsfamilie das Recht auf einen eigenen Wohnraum.
Angesichts der finanziellen Nöte der Kommunen fordert die rheinland-pfälzische Integrationsministerin Irene Alt den Bund auf, sich an den Kosten zu beteiligen (siehe Interview). Vor allem müsste dafür gesorgt werden, dass die Asylbewerber in das Sozialversicherungssystem eingegliedert werden und damit etwa automatisch krankenversichert sind. Das würde die Kommunen entlasten, weil ein Großteil des Geldes derzeit für die medizinische Versorgung der Asylbewerber draufgehe.
Denn viele der in Trier ankommenden Flüchtlinge sind aufgrund ihrer Flucht traumatisiert, einige sind auch gesundheitlich angeschlagen. In der Aufnahmeeinrichtung werden sie daher zunächst einmal gründlich untersucht. Zuständig dafür ist das Trier-Saarburger Gesundheitsamt. Amtsärzte untersuchen die Asylbewerber unter anderem auf Tuberkulose, aber auch auf Krankheitserreger im Darm, auf Hepatitis und auf Windpocken. Über 7000 Flüchtlinge haben die Mitarbeiter des Gesundheitsamtes seit Jahresanfang untersucht, manchmal bis zu 300 pro Woche.
Rund 200 Kinder leben derzeit in der Aufnahmeeinrichtung in der Trierer Dasbachstraße. Die älteren werden dort auch unterrichtet. Etwa von Rebecca Owusu. Die Sozialpädagogin unterrichtet gerade neun Kinder in Mathe in einem der beiden Schulräume der Einrichtung.
Die 200 Zimmer in der teilweise innen etwas heruntergekommen wirkenden ehemaligen Franzosenkaserne, seien derzeit voll belegt, sagt Pütz. Die Belegung gestalte sich jedoch schwierig. Denn neben der Herkunft müsse bei den Flüchtlingen auch die Religionszugehörigkeit berücksichtigt werden.
Ein Kärtchen für jeden Flüchtling


Sarah Spang, Mitarbeiterin der Einrichtung, zeigt auf einem wandgroßen Plan die Belegung der einzelnen Zimmer. Jedes kleine Kärtchen steht für einen Bewohner. Die unterschiedlichen Farben für die Herkunftsländer. Das Ganze ähnelt einem Puzzle.
Es ist halb zwölf am Morgen. Die Essensausgabe öffnet. Eine lange Schlange bildet sich davor. Männer, Frauen, Kinder. Sie halten kleine, graue Körbchen in der Hand. Darin legen Mitarbeiter der Küche das in mit Alu bedeckten Warmhaltepackungen steckende Essen rein, pro Person noch ein Apfel, Brötchen und Käse fürs Abendessen. Es geht zügig. Wer sein Essen hat, geht auf sein Zimmer. Vor dem Büro, wo sich die Neuankömmlinge melden müssen, hat sich schon wieder eine Schlange gebildet. Wie viel heute noch kämen, das wisse er nicht, sagt Pütz.

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