Vom Preis des Krieges

Wer Verständnis für die These aufbringt, eine Geschwulst lasse sich am besten mit einer Radikaloperation beseitigen, weil sanftere Methoden keine Gewähr für den Erfolg bieten, wird die amerikanische Kriegs-Philosophie nachvollziehen können. Saddam Hussein, der in seiner Bösartigkeit oft mit einem Krebsgeschwür verglichen wird, soll ausgeschaltet werden, bevor das Problem metastasiert. Dieser Logik können viele Menschen folgen. Zudem: Gibt es edlere Motive, als ein geknechtetes Volk und eine latent bedrohte Region vom Tyrannen zu befreien, und dem Irak Freiheit, Demokratie und wirtschaftliche Perspektiven zu ermöglichen? Ein schöner Traum - der leider die unweigerlichen Kollateralschäden verdrängt und zum Albtraum ausarten könnte. Der Preis des Krieges ist nämlich extrem hoch und müsste von einer unbekannten Anzahl unschuldiger Menschen bezahlt werden. Befürworter der amerikanischen Strategie sind - gewiss nicht leichtfertig - notfalls bereit, Menschen zu opfern. Gegner des Krieges sträuben sich gegen diese absolute Konsequenz und verneinen die Frage, ob ein präventiver Waffengang sittlich erlaubt ist und den ethischen Prinzipien demokratischer Kulturen entspricht. Vielleicht würde den Skeptikern eine Zustimmung leichter fallen, wenn die politische Begründung für den Krieg von härteren Fakten untermauert wäre als von "Beweisen", die eher Indizien sind. Noch mehr würde die Überzeugungskraft wachsen, wenn die Absichten der USA nicht von dem globalen Misstrauen umsäumt wären, das von dem Verdacht genährt wird, hier wolle sich eine imperiale Supermacht auch strategische und wirtschaftliche Optionen schaffen. Wer die Situation analysiert, wird nicht umhin kommen, die Prämissen der USA einer kritischen Würdigung zu unterziehen: Ist Bagdad tatsächlich eine ernste Gefahr für den Weltfrieden, wie Präsident Bush und Premier Blair mit Inbrunst behaupten? Ist der militärisch dezimierte und wirtschaftlich ausgezehrte Irak überhaupt in der Lage, über viele tausende Kilometer Amerika oder Europa zu bedrohen? Ist Saddam Hussein ein Aggressor nach Art des Terroristen Osama bin Laden, der Tod und Verderben über die westliche Welt bringen will? Oder ist er nicht doch der Typ des ideologiefreien Despoten, der vor allem seine Macht im Lande sichern und sich persönlich bereichern will? Und: Darf man in diesem Kontext verschweigen, dass genau dieser Saddam von den Amerikanern aufgerüstet und sein erster Krieg (gegen Iran) von Washington unterstützt wurde? Die Entscheidung für Krieg oder Frieden ist so verdammt schwierig, weil jenseits aller taktischen Manöver und politischen Erwägungen die Gewissensfrage lauert, ob sich das Recht auf diesen Krieg hinreichend begründen lässt. Andererseits: Könnte es nicht doch im Interesse des Weltfriedens sein, wenn im Fall Saddam ein Exempel statuiert wird, das auch andere Diktatoren beeindruckt? Wie dem auch sei: Präsident Bush, der zuweilen den Eindruck eines Kreuzzüglers vermittelt, würde bei einem Angriffskrieg ohne Legitimation der Vereinten Nationen nicht nur das Völkerrecht verletzen. Er hätte auch, wie die eindringlichen Warnungen des Papstes und der Kirchen weltweit zeigen, nicht den Segen Gottes, auf den er sich so gern beruft. nachrichten.red@volksfreund.de

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