Vom Wind zur Wärme

Trier/Mainz · Rheinland-Pfalz will nach Konflikten in der Energiepolitik neue Akzente setzen. Die Region Trier soll Vorbild sein. Ein Überblick.

Trier/Mainz Einer der größten Konflikte in der rheinland-pfälzischen Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen ist schon mal behoben. In dieser Woche hat das Kabinett endgültig die Änderungen am Landesentwicklungsplan über die Bühne gebracht, der den Ausbau von Windrädern neu regelt. Die Abstände der riesigen Rotoren zu bewohnten Wohngegenden sollen künftig mindestens 1000 statt 800 Meter betragen, Kernzonen in Naturparks sind tabu. Die Pläne sind ein Eingeständnis an Windkraftgegner, haben aber auch zu Zerwürfnissen von Land, Gemeinden und der Wind-Lobby geführt (der TV berichtete mehrfach), die noch nicht behoben sind (siehe Extra). Unabhängig davon stehen die nächsten Schritte in der Energiewende bevor.

Bessere Windanlagen: Auch wenn der Bau neuer Windräder erschwert ist, gibt es beim Ersatz älterer durch neue, leistungsfähigere Anlagen eine Ausnahme von der Regel. Tauschen Betreiber beim sogenannten Repowering ein Windrad aus, darf der festgelegte 1000-Meter-Abstand zu Wohngebieten unterschritten werden - um bis zu 100 Meter. Umweltstaatssekretär Thomas Griese sagt auf TV-Anfrage: "Neue, moderne Anlagen arbeiten viermal leistungsstärker als 17 Jahre als Windräder." Dennoch fällt im Landesentwicklungsplan auf, dass die rot-gelb-grüne Regierung Abstand vom alten Leitbild nimmt, wonach der in Rheinland-Pfalz verbrauchte Strom bis 2030 zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien stammen soll. Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) sagt, der Anteil besagter Energien an der Stromerzeugung habe in Rheinland-Pfalz 2016 bei etwa 47 Prozent gelegen, was gut sei. Sie kritisiert den Bund: Er bremse die Energiewende aus.
Wärmewende: Die Wärmewende dürfte das große Projekt von Ulrike Höfken in der Legislaturperiode bis 2021 werden. Bereits im Februar sagte die Grünen-Politikerin, der Anteil der erneuerbaren Energien am Wärmeverbrauch müsse wachsen; sie verdoppelte die Mittel im Landeshaushalt auf jährlich vier Millionen Euro. Ein 1000-Öfen-Programm soll noch in diesem Jahr starten. Es soll Privathaushalte beim Austausch alter Öfen mit einer Prämie von 300 bis 800 Euro unterstützen. Und es geht weiter: Eine Studie, deren Auftrag noch von Ex-Wirtschaftsministerin Eveline Lemke stammt, hat - von den Privathaushalten bis hin zur Industrie - den Wärmeverbrauch in der Region Trier ermittelt. Das Besondere: Die Handlungsempfehlungen der Studie seien erst einmal für die Region gedacht und könnten Vorbildcharakter für ganz Rheinland-Pfalz haben.
Das Ministerium und die Energieagentur wollen nun in den Dialog mit Akteuren treten. Projekte, in denen Private, Gemeinden und Wirtschaft zusammenarbeiten - wie die geplante Eifel-Pipeline zwischen Trier und der Oleftalsperre, die 245 000 Menschen mit Trinkwasser, Strom, Biogas und schnellem Internet versorgen soll - dürften besonders beworben werden.
Als Vorbild nennt Höfken auch oft das Nahwärmenetz der Dörfer Neuerkirch und Külz im Rhein-Hunsrück-Kreis. Dort gibt es ein sechs Kilometer langes Netz, das seine Energie aus Holzhackschnitzelkesseln und der Sonne speist. 150 Haushalte profitieren davon, ebenso Schreinereien und ein Bäcker. 350 000 Liter Heizöl soll die Anlage im vergangenen Jahr gespart haben. Höfken sieht darin einen doppelten Vorteil. Man mache sich immer unabhängiger von Energie-Importen wie aus Russland oder Saudi-Arabien. Zugleich bleibe die Wertschöpfung in der Region, durch gesparte Energie, Aufträge an Handwerksbetriebe und zusätzliche Arbeitsplätze. Allein der Rhein-Hunsrück-Kreis rechne durch erneuerbare Energien schon jetzt mit einer jährlichen Wertschöpfung von etwa 43,5 Millionen Euro.Extra: REAKTIONEN AUF DIE NEUE WINDPOLITIK


Die neuen Windradregeln stoßen auf gemischte Gefühle. Moritz Petry, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Südeifel, beklagt, dass etliche Gemeinden über Jahre vergeblich geplant hätten und auf hohen Kosten sitzenblieben. Giro Capricano, Landesvorstand des Bundesverbands, hält die neuen Bestimmungen für einen Rückschritt in der Energiepolitik. "Da brauchen wir uns nicht über Donald Trump zu ärgern", sagt er. Eine Klage des Verbands kann sich Capricano momentan aber nicht vorstellen. "Ich gehe davon aus, dass unsere Mitglieder in den sauren Apfel beißen werden." Windkraftgegner Uwe Anhäuser gehen die verschärften Regeln nicht weit genug. Nordrhein-Westfalen beabsichtige Windrad-Abstände von mindestens 1500 Metern und ein Verbot, im Wald zu bauen. "Da liegen wir weit zurück."

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