Von Kindern, Kasperln und Konzerten
Mainz · Wenn der Landesrechnungshof irrsinnige Ausgaben wittert, dann rügt er die Regierung. In diesem Jahr geht es darum, was ein Land wie Rheinland-Pfalz leisten soll - und warum es auch bei Puppenspielern aufpassen muss.
Mainz Der Schalk schwingt mit in der Stimme von Klaus Behnke. Ein letztes Mal, so sagt der Präsident des Landesrechnungshofs, stelle er den Jahresbericht vor. Ende Mai geht er in den Ruhestand. Behnke kaut auf seinem Brillengestell, grinst und sagt: "Ob wohlverdient oder nicht, das interessiert mich weniger." Einige Politiker in Mainz dürften erleichtert aufatmen, wenn der Mann mit dem Rotstift nicht mehr das Sagen hat. Behnke hat einiges erlebt in zehn Jahren als Präsident, er tadelte die Millioneninvestitionen des Landes in Hahn und Nürburgring, störte sich aber genauso an vermeintlich kleinen Ausgaben in fragwürdige Dorfprojekte. Auch Monate vor der Pension ist er nicht müde, Ausgaben zu finden, die er für Steuerverschwendungen hält. "Das ist eine Aufgabe, bei der man sich nicht zurücklehnen darf, in der Hoffnung, dass alles gut wird." Vor ihm auf dem Tisch liegt der Jahresbericht des Rechnungshofs, 193 Seiten dick, gespickt mit Rügen an das Land. Personal: 2000 Stellen will das Land bis 2020 streichen und so 117 Millionen Euro sparen, um auf die schwarze Null zu kommen. Der Rechnungshof sieht das Land jedoch unter Zugzwang, noch weitere 160 Millionen Euro im Haushalt zu knapsen, wenn es seine Ziele erreichen will. So schätzen die Prüfer in ihrem Bericht, dass sich ein weiterer Stellenabbau ergeben könnte. Vorschläge macht der Rechnungshof bereits: Die Aufgaben der vier Staatsweingüter könnten auch an weniger Standorten geleistet werden, wobei der Bericht nicht das Mosel-Gut in Bernkastel-Kues infrage stellt, sondern das in Bad Kreuznach. Der Rechnungshof fordert auch, Personal wirtschaftlicher einzusetzen. Lehrer an beruflichen Gymnasien und höheren Berufsfachschulen hätten so im Schuljahr 2014/15 mehr als 80 000 Unterrichtsstunden nicht gehalten, weil sie nach der Zeugnisvergabe und während Berufspraktika der Schüler vom regulären Unterricht freigestellt worden seien. Das entspreche einer Unterrichtsversorgung von 86 Vollzeitkräften, tadelt der Rechnungshof. Ausgaben: Die Förderung von Kindertagesstätten bezeichnet der Rechnungshof als "hochkomplex und teilweise intransparent". Im Jahr 2013 zum Beispiel sollen mehr als 5300 Kita-Plätze in Rheinland-Pfalz unbesetzt gewesen sein. Trotzdem seien für diese Plätze Personalkosten angefallen. Und zwar insgesamt 26,7 Millionen Euro, von denen das Land 11,5 Millionen Euro getragen habe. Aufgestoßen ist den Prüfern auch die Geldsumme, die das Land in die Verkehrserziehung in Kindergärten und Schulen investiert. Einem privaten Auftragnehmer habe es von 2010 bis 2015 allein 490 000 Euro gezahlt - bei einem Stundenhonorar von 250 Euro. Puppenbühnen der Polizei wiederum kosteten 57 Euro pro Stunde. Auch durch manche Landesbeteiligung an kommunalen Projekten fühlt sich der Rechnungshof gestört - wie durch die Millionen, die in das ehemalige Bahnbetriebswerk in Gerolstein geflossen seien. Ebenso hinterfragt der Rechnungshof, warum sich Rheinland-Pfalz in Bad Bergzabern und Bad Breisig an Staatsbädern beteilige, die Verluste schreiben. 28 Millionen Euro habe seit 2004 auch die Landesgesellschaft RLP AgroScience erhalten, in der 78 Mitarbeiter sich der Forschung der Biotechnologie und Agrarökologie widmen. Behnke kritisiert, dass die konkreten Leistungen der Gesellschaft jedoch nicht festgelegt seien. KommentarMeinung
Die Lektüre macht SinnSpötter sagen, der Rechnungshof sei ein Ritter ohne Schwert, weil die Politik nicht nach den Maßgaben kritischer Prüfer handeln muss. Doch auch der Bericht von 200 Seiten ist in den Politikkreisen in Mainz ein wirkungsvolles Instrument, weil der Rechnungshof die Regierung mit dem Aufzeigen von Steuerverschwendung langfristig zum Handeln nötigt. Kein Ministerium will sich in wöchentlichen Mitteilungen der Opposition und vor der nächsten Haushaltsdebatte nachsagen lassen, dass es teure Ausgaben in Kauf nimmt, die es eigentlich doch vermeiden müsste. Der Bericht zeigt in diesem Jahr erneut, dass nach wie vor zu viel Geld in teure Prestigeprojekte und fragwürdige Landesbeteiligungen fließt. Zwar darf das Land nicht jeden Euro, den es ausgeben will, nur nach dem Sparprinzip überprüfen. Doch der Rechnungshof hilft dabei, fragwürdige Ausgaben und Fehler bei der Geldverteilung zu enttarnen, um zugleich endlich wieder Mittel für Bildung, Infrastruktur und Sicherheit zu gewinnen. Dort ist das Haushaltskorsett nämlich deutlich zu eng geschnürt. f.schlecht@volksfreund.de HAHN-BERICHT RüCKT NäHER
Extra
(flor) Kein Wort zum Flughafen Hahn im Jahresbericht? Dafür gibt's Gründe, auch wenn der Airport jährlich bis zu 17 Millionen Euro Miese schreibt. Den verpatzten Verkauf an den dubiosen chinesischen Investor SYT nimmt der Rechnungshof in einem gesonderten Bericht unter die Lupe. Laut Klaus Behnke ist mit Ergebnissen bald zu rechnen. Ein Entwurf liege den beteiligten Ministerien und der Staatskanzlei bereits vor. Bis Anfang März haben sie die Chance, Stellung zu nehmen. Der Hahn steht momentan vor dem Verkauf an das chinesisch-pfälzische Konsortium aus HNA und ADC.