Von St. Petersburg nach Greifswald

BERLIN. Eine Pipeline durch die Ostsee wird Deutschland von 2010 an direkt mit den russischen Erdgasvorkommen verbinden. Neben dem russischen Konzern Gasprom sind die deutschen Unternehmen Eon und BASF daran beteiligt.

Es war die Stunde der großen Beschwörungen. Der Bundeskanzler schwelgte von einem ,,historischen Tag" und von einer ,,völlig neuen Qualität der wirtschaftlichen Zusammenarbeit". Der russische Präsident adelte das Vertragswerk als ,,wunderbare Grundlage für die weiteren deutsch-russischen Beziehungen". Wenige Minuten vorher war unter Schirmherrschaft der beiden Regierenden von den Firmenchefs der Energiekonzerne Eon, BASF und Gasprom ein milliardenschwerer Kontrakt über den Bau einer Ostsee-Erdgasleitung unterzeichnet worden. Nach Einschätzung von Gerhard Schröder ,,wird sie dafür sorgen, dass große Teile der deutschen Energieversorgung auf Jahrzehnte hinaus gesichert sind".

Wladimir Putin war gestern zu einem Blitzbesuch nach Berlin gekommen. Und fast alles dreht sich um das Thema Wirtschaft. Das im Berliner Hotel Interconti unterzeichnete Pipeline-Projekt umfasst ein Investitionsvolumen von insgesamt 4,7 Milliarden Euro. Die Erdgasleitung führt in einer Länge von 1189 Kilometern von St. Petersburg nach Greifswald. Sie wird auf dem Grund der Ostsee verlegt. 2010 soll sie fertig sein. Dann soll ein Viertel des Erdgasverbrauchs in Deutschland über diese Pipeline befriedigt werden. Betreiber sind die deutschen Energiekonzerne BASF/Wintershall, Eon/Ruhrgas und auf russischer Seite Gasprom, der weltgrößte Gaskonzern. Russland hat die vergangenen Jahre enorm viel Geld im Öl- und Erdgasgeschäft verdient.

Wichtiger Handelspartner

Das Land kann somit heute einen kräftigen Haushaltsüberschuss vorweisen, einen Handelsüberschuss ebenfalls. Die russischen Goldreserven sind beachtlich. Der Bundeskanzler beschrieb dies gestern als ,,atemberaubende Entwicklung", die Chancen für Deutschland und deutsche Arbeitsplätze biete. Priorität hat für Putin der Abbau der Auslandsschulden. Moskau konnte, so war gestern zu hören, Finanzminister Hans Eichel inzwischen Rückzahlungen in Höhe von sechs Milliarden Dollar in die maroden Haushaltskassen überweisen.

Aber Moskau investiert mit seinen Petro-Rubeln auch kräftig in die eigene Infrastruktur: In Bildung, Wissenschaft, Steuererleichterungen, Gesundheitsfürsorge, in viele soziale Einrichtungen und sogar in höhere Löhne beim öffentlichen Dienst. Der deutsch-russische Handel hat sich seit 1998 fast verdoppelt. Die deutschen Ausfuhren nach Russland beliefen sich 2004 auf 15 Milliarden, die Einfuhren aus Russland auf 16,3 Milliarden Euro. Im ersten Halbjahr 2005 legte der deutsch-russische Handelsumsatz nach Putins Aussagen nochmals gewaltig zu. Laut Klaus Mangold, Vorsitzender des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft, ist Russland heute ,,nach China die wichtigste zusätzliche Wachstumsmaschine". Wie zuverlässig verlautete, drängte Schröder seinen Duz-Freund Putin gestern, die Zusammenarbeit in der Hochtechnologie sowie in der Luft- und Raumfahrt auszubauen. Und Putin seinerseits sprach davon, dass die Automobilkonzerne Volkswagen und Daimler/Chrysler in naher Zukunft Montagewerke in Russland bauen werden. Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel erklärte gestern vor ihrem Treffen mit Putin, nach einem Regierungswechsel in Berlin die engen Beziehungen vertiefen zu wollen: ,,Wir brauchen eine strategische Partnerschaft mit Russland, und insofern werde ich in einer großen Kontinuität die deutsch-russischen Beziehungen weiterentwickeln." Über den Wahlausgang am 18. September müsse sich Moskau keine Sorgen machen.

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