Von wegen Sackgasse

SAARBURG. Perspektivlos, Außenseiter, Gewalttäter – Hauptschüler in der Kritik. Wie sieht es tatsächlich in einer solchen Schule aus? Ein Beispiel aus Saarburg.

Nach der Hauptschule auf die Uni, danach vielleicht Lehrer oder Arzt? Sicher die Ausnahme. Doch ausgeschlossen sei das nicht, sagt Josef Brittnacher. Er leitet die Hauptschule in Saarburg. Keine Problemschule wie die in Berlin-Neukölln. Der Hilferuf dortiger Lehrer hat eine erneute Schuldebatte in Deutschland ausgelöst. Integrationsprobleme wie an der Rütli-Schule kennt Brittnacher kaum, der Ausländeranteil in Saarburg ist verschwindend gering. Gewalt gebe es auch nicht mehr als an anderen Schulen. Schüler werden als Streitschlichter eingesetzt, auf dem Schulhof steht ihnen dafür ein umgebauter Wohnwagen zur Verfügung. Es werde auch mal geklaut, aber in den meisten Fällen kläre sich das relativ schnell auf, selten müsse die Polizei eingeschaltet werden. Natürlich sei es nicht einfach, bekennt der 60-Jährige. Viele Hauptschüler seien schwierig, das Niveau sei niedriger als an anderen Schulen. Aber perspektivlos? "Die Masse unserer Schüler hat Perspektiven", wehrt sich Brittnacher gegen die Miesmacher, die als Konsequenz der Gewalt-Diskussion die Hauptschulen abschaffen wollen. Nach der sechsten Klasse erhielten alle Schüler eine Empfehlung, entweder weiter für die Hauptschule oder auch für die Realschule. Ein paar wenige seien auch fürs Gymnasium geeignet. Stolz verweist er auf die Zahlen aus dem vergangenen Jahr. Von den 60 Abgängern hätten 21 mit der zehnten Klasse weiter gemacht und die mittlere Reife geschafft. Und alle hätten eine Lehrstelle gefunden oder seien auf andere Schulen gegangen. "Das war ein ausgesprochen guter Jahrgang", sagt der Direktor und fügt gleich hinzu: "In diesem Jahr sieht es nicht ganz so gut aus." Es gebe immer wieder Schüler, die seien einfach nicht "beschulbar", sprich, bei denen hilft selbst spezieller Förderunterricht nicht. Trotzdem gebe man sie nicht auf, sondern man gebe ihnen eine Chance. Ein paar seiner Schüler machten sogar Abitur. Acht Schüler aus dem diesjährigen zehnten Schuljahr, so schätzt Brittnacher, werden wahrscheinlich bis zur 13. Klasse weitermachen. Soziale Kompetenz und handwerkliches Geschick

Die Hauptschule sei keine Sackgasse, betont der Schulleiter. Die Schüler hätten durchaus Chancen auf dem Arbeitsmarkt, vor allem im Handwerk. Durch ein berufsorientiertes Projekt würden sie frühzeitig an die Betriebe herangeführt, jetzt in den Osterferien würde viele noch einmal Praktika machen in den Betrieben, in denen sie nach den Sommerferien ihre Lehre anfingen. "Die Hauptschule wird schlecht geredet, die ist viel besser als ihr Ruf", sagt sein Stellvertreter Wolf-Markus Dinklage. Das zeige sich auch bei der Pisa-Studie, an der die Saarburger Schule bereits zweimal teilgenommen hat. Das schlechteste Viertel der Gymnasiasten sei zum Teil schlechter als die Spitzengruppe der Hauptschüler, heißt es darin. Das spreche doch für sich, meint der Schulleiter. Von einer Zusammenlegung der Hauptschule mit der Realschule oder gar einer Abschaffung hält er gar nichts. "Dann wären die Hauptschüler in einer anderen Schulform wieder die Außenseiter." 370 Schüler werden derzeit an der Saarburger Hauptschule unterrichtet: "So viel wie noch nie", sagt Brittnacher. Doch die Probleme seien nicht größer geworden. Man versuche auf die speziellen Bedürfnisse einzugehen. So hat man eine Ganztagsklasse eingerichtet. Während früher am Nachmittag Angeln oder Selbstverteidigung auf dem Plan stand, sind es nun Hausaufgabenbetreuung, Förderunterricht oder auch mal Zeichnen. "Wir sind aber keine Ausnahmeschule, wir machen das, was notwendig ist", relativiert er das Engagement. Natürlich wünscht er sich mehr Lehrer, auch kleinere Klassen würden helfen, das ein oder andere Problem zu verringern. Vor allem müssten Hauptschullehrer besser ausgebildet werden, es müsse eine Trennung von Grund- und Hauptschullehrern bei der Ausbildung geben. Auch ein Schulsozialarbeiter nur für seine Schule sei notwendig. Es gibt bereits eine solche Stelle, die bei Problemen eingreift, zwischen Lehrern, Schülern und Eltern vermittelt. Allerdings sei es nur eine Dreiviertel-Stelle, und sie sei auch für die 800 Schüler der benachbarten Realschule zuständig. Wenn man diese Probleme gelöst habe, stehe die Hauptschule auch wieder besser da, glaubt Brittnacher.

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