Vorwahlen in den USA: Trumps Agenda

Washington · Noch ist allenfalls in groben Umrissen zu erkennen, für welches Programm ein US-Präsident Donald Trump stehen würde. Vieles ist zu widersprüchlich, als dass sich klare Konturen erkennen ließen. Vieles beschränkt sich auf die simple Aussage, dass Amerika mit ihm, dem gewieften Verhandlungsprofi im Oval Office, endlich wieder „gewinnen“ werde, statt wie bisher von Ländern wie China, Mexiko oder Japan über den Tisch gezogen zu werden.

Vorwahlen in den USA: Trumps Agenda
Foto: Erik S. Lesser (g_kultur

Zentraler Punkt auf der Agenda des Milliardärs ist der Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko, um zu verhindern, dass weiterhin Immigranten aus Lateinamerika ohne Aufenthaltsgenehmigung ins Land kommen. Die Mauer soll den Zaun ersetzen, den es bereits jetzt an weiten Abschnitten der Grenzlinie zwischen dem kalifornischen San Diego und dem texanischen Brownsville gibt. Trump will Mexiko zwingen, die Baukosten zu tragen. Mexikanische Politiker haben öffentlich erklärt, nicht einen Cent zahlen zu wollen. Worauf er typischerweise antwortet, dann werde die Mauer eben noch einmal um zehn Fuß höher, jedenfalls werde er das Nachbarland zwingen, die Rechnung zu übernehmen.

Im Handelsstreit mit Peking denkt Trump daran, Waren aus China mit einem Importzoll von 45 Prozent zu belegen. Mit seinem Protektionismus will er erreichen, dass Industriearbeitsplätze, die in Billiglohnländer abgewandert sind, in die USA zurückkehren. Apple, führt er als Bespiel an, solle das iPhone nicht mehr in Asien herstellen, sondern in den Vereinigten Staaten. Sträube sich der Konzern, werde er ihn dazu zwingen. Allerdings hält China viele Milliarden an amerikanischen Staatsanleihen, eine Waffe, die es in einem eventuellen Handelskrieg einsetzen könnte. Was ein Präsident Trump im Falle einer Eskalation tun würde, lässt der Kandidat Trump unbeantwortet. Als Experten für harte Verhandlungen nennt er immer wieder Carl Icahn, einen befreundeten Großinvestor.

Mit Blick auf den Nahen Osten lässt nichts von dem, was er bislang sagte, auf ein Konzept schließen. Eine Zeit lang betonte der 69-Jährige im Einklang mit dem isolationistischen Flügel der Republikaner, dass es nicht Amerikas Aufgabe sei, sich der Konflikte der Region anzunehmen - das Land habe genug mit sich selber zu tun. Im Herbst forderte er dagegen, die Herrschaftsgebiete der Terrormiliz "Islamischer Staat" in Syrien in Grund und Boden zu bombardieren. Mehrfach hat Trump seine Wertschätzung für den russischen Präsidenten Wladimir Putin betont.

Dies nährt Spekulationen, dass sich das Verhältnis zwischen Washington und Moskau verbessern könnte, sollte er dereinst im Weißen Haus residieren. Angela Merkel wirft er vor, Deutschland mit ihrer Flüchtlingspolitik enormen Schaden zugefügt zu haben. Das Land leide unter einer nie dagewesenen Kriminalität und steuere auf ein "totales Desaster" zu. Die Aufnahme syrischer Bürgerkriegsflüchtlinge in den USA lehnt er kategorisch ab. Mehr noch, nach einer Terrorattacke im kalifornischen San Bernardino hat er einen pauschalen Einreisestopp für Muslime gefordert und dafür plädiert, die Namen sämtlicher Amerikaner muslimischen Glaubens in einer speziellen Computerkartei zu erfassen.

Nach dem Steuerplan des Immobilienmagnaten soll der Spitzensatz der Einkommenssteuer von derzeit 39,6 Prozent auf 25 Prozent sinken, die Unternehmenssteuer von aktuell 35 Prozent auf 15 Prozent. Wer weniger als 25 000 Dollar pro Jahr verdient, braucht keine Abgaben zu entrichten. Gleichwohl soll er dem Finanzamt jedes Jahr einen Papierbogen schicken, auf dem er erklärt: "Ich gewinne". Wie die Tax Foundation, eine Stiftung in Washington, vorrechnet, würde die Blaupause das Steueraufkommen der USA im Laufe der nächsten Dekade um 10,1 Billionen Dollar reduzieren. Welche Ausgaben im Gegenzug gekürzt werden sollen, hat Trump bisher nicht konkretisiert. Weder an der staatlichen Rente noch an Medicare, dem steuerfinanzierten Gesundheitsprogramm für Senioren, möchte er den Rotstift ansetzen.

Die 2010 beschlossene Gesundheitsreform Barack Obamas will er rückgängig machen und durch ein neues, "großartiges" System ersetzen. Was mit Letzterem gemeint ist, bleibt unklar. Früher hatte er sich, den Demokraten vorübergehend näher stehend als den Republikanern, für eine universale Krankenversicherung ausgesprochen, die jedem Patienten eine Behandlung garantiert. Niemand, betont er auch heute, dürfe in den Straßen amerikanischer Städte sterben, nur weil er sich keine Versicherung leisten könne. Bei gesellschaftspolitischen Themen wie der Abtreibung oder der rechtlichen Gleichstellung Homosexueller vertritt der New Yorker Positionen, die den liberalen Ansichten einer großen Mehrheit in seiner Stadt entsprechen.

"Super Tuesday" - Kommentar

Manchmal klingt es fast schon wie ein Abgesang auf die "Grand Old Party". Während der eitle Geschäftsmann Donald Trump von Sieg zu Sieg eilt, lässt er die Strategen der Republikaner in einer Seelenlage zurück, die irgendwo zwischen Panik, Wunschdenken und Ratlosigkeit pendelt.

Von einem Zerfall der Partei ist die Rede, von der feindlichen Übernahme durch einen egozentrischen Bauunternehmer, den besagte Strategen im vergangenen Sommer allenfalls als Störfaktor empfanden. Monatelang wurde Trump unterschätzt, auch von den allermeisten Kommentatoren, den Verfasser dieser Zeilen eingeschlossen. Nun ist er kaum noch zu stoppen.

Um zu ermessen, was für ein Drama sich da gerade bei den US-Konservativen abspielt, sollte man einen kurzen Blick auf ihre personelle Vorgeschichte werfen. Seit Dwight Eisenhower 1952 das Votum gewann, haben sie keinen Kandidaten aufgeboten, der nicht zuvor in einem Wahlamt Erfahrung gesammelt hätte. Und Eisenhower hatte als General eine lange militärische, im Grunde politische Karriere hinter sich, schon deshalb lässt er sich mit Trump nicht vergleichen. Selbst Barry Goldwater, der erzkonservative Rebell, der 1964 im internen Wettstreit mit Nelson Rockefeller eine Säule des gemäßigten Establishments besiegte, war zuvor eine Zeit lang Senator gewesen. Trump ist ein Neuling auf dem politischen Parkett, eine komplett unberechenbare Größe. So etwas gab es noch nie in der jüngeren Wahlgeschichte der Vereinigten Staaten.

Außerdem läuft sein Programm, sofern man bei seinen Versprechen von einem Programm reden kann, allem zuwider, was die Republikaner an Reformbedarf für sich erkannten. Nach der Niederlage Mitt Romneys im Duell ums Weiße Haus rieten ihre klügeren Köpfe dringend dazu, sich der Realität der Vereinigten Staaten anzupassen, der Wirklichkeit des demografischen Wandels. Nun kommt Trump, verklärt das alte, unangefochten von Weißen beherrschte Amerika, bedient sich unterschwelliger Ressentiments und stößt die ethnischen Minderheiten damit noch mehr vor den Kopf. In den Augen der Parteistrategen kann es nur auf eine Niederlage im Wahlfinale hinauslaufen. Nur scheint es inzwischen zu spät, den Zug noch anzuhalten.

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