Wachsen oder aufgeben

Während die einen ihre landwirtschaftlichen Betriebe mangels Nachfolger aufgeben müssen, sind andere zum Wachsen gezwungen. Eine Entwicklung, die zwar nicht neu ist, die Berufsvertreter aber dennoch mit gemischten Gefühlen sehen.

Trier/Bitburg/Daun/Wittlich. Ganz egal, in welche Ecke der Region Trier man auch blickt - der Trend ist überall der gleiche: Immer weniger Bauern und Winzer bewirtschaften immer größere Flächen (siehe Extra). Und ganz egal, mit welchem Bauern- oder Winzervertreter der Region Trier man auch spricht - ein Wort taucht immer wieder auf: Das Wort heißt "leider". Denn die Berufsvertreter selbst lieben ihren Job und sehen es nicht gerne, dass sich nicht genügend junge Leute finden, die in ihre Fußstapfen treten wollen.

Ungeregelte Arbeitszeiten schrecken ab



So wie Manfred Zelder, Vorsitzender des Bauern- und Winzerverbands Bernkastel-Wittlich. Er selbst hat das Glück, dass mindestens einer seiner Söhne in den Familienbetrieb einsteigt, weshalb sein Hof einem allgemeinen Trend folgen wird: Er wird investieren und wachsen. Statt 90 können künftig bis zu 150 Kühe in seinem Stall Platz finden.

Viele seiner Berufskollegen hingegen werden ihre Familienbetriebe aufgeben müssen, weil sich die potenziellen Nachfolger für einen anderen Beruf entscheiden. "Wir haben ein Arbeitsfeld, in dem man überproportional viel leisten muss", sagt Zelder: ungeregelte und lange Arbeitszeiten, auch an Feiertagen und am Wochenende, egal bei welchem Wetter und das bei einem oft zu geringen Stundenlohn. Auch der "unsägliche Bürokratismus" schrecke junge Leute ab. "Und es ist sicher auch nicht förderlich, wenn wir Älteren den Kindern am Mittagstisch vorjammern, wie schlecht es uns geht", sagt Zelder.

Eine Ansicht, die der Winzer Walter Clüsserath, Verbandsvorsitzender in Trier-Saarburg, teilt. Auch er hat das Glück, einen Nachfolger zu haben. Auch er hat seinen Betrieb enorm vergrößert und investiert. Ein Muss, um im Wettbewerb zu bestehen. Und auch er ist besorgt. Damals, Mitte der 70er Jahre, habe es in seinem Ort Pölich nur eine Handvoll Familien gegeben, die nichts mit Wein zu tun hatten. In wenigen Jahren werde es genau umgekehrt sein. "Das verändert die Dörfer", sagt Clüsserath.

Früher habe das Dorf mit ganzer Freude und ganzem Bangen am Wein gehangen und gemeinsam die Ernte gefeiert. "Solche Bräuche verschwinden", sagt der Winzer. Ebenso wie der ein oder andere Wingert.

Mittelfristig werde es schwierig sein, all die Rebflächen zu halten. Und dass das den Mosel-Touristen gefällt, bezweifelt Clüsserath.

Und wie geht es weiter? "Ein Teil der Betriebe wird sich weiter spezialisieren und kräftig wachsen", sagt Michael Horper vom Bauernverband Bitburg-Prüm. Wieder andere würden sich stärker diversifizieren und neben Milch auch Energie oder Schnaps erzeugen und Ferienwohnungen vermieten. Und - das steht nach der aktuellen Landwirtschaftszählung fest - viele Betriebe werden aufgeben, weil sich niemand findet, der sie weiter bewirtschaftet.

Meinung

Das Klischee hat ausgedient

Nur noch jeder sechste Bauer und Winzer in Rheinland-Pfalz hat einen Nachfolger. Das heißt: Viele Höfe, die seit Jahrzehnten, vielleicht sogar seit mehreren Generationen im Familienbetrieb geführt wurden, müssen aufgeben. Bitter für die Betroffenen. Aber keineswegs das Ende der rheinland-pfälzischen Landwirtschaft. Sie wird den Wandel, dem sie schon lange unterliegt, überleben. Das Einzige, was beerdigt werden muss, ist das Klischee vom bäuerlichen Dasein. Die Zeit der Mistgabel nähert sich ihrem Ende: Der moderne Stall wird automatisch entmistet. Computer rationieren das Futter für die Kühe. Und der moderne Bauer verbringt viel Zeit im Büro. Denn er ist Unternehmer. Und gezwungen, in einem harten Wettbewerb nach seinem Weg zu suchen: Wer nicht wächst, wer sich nicht spezialisiert, wer keine neuen Absatzmärkte findet oder sich neue Standbeine schafft, der wird in der heutigen Landwirtschaft nicht überleben. Kurz: Der traditionelle Bauernhof ist ein Auslaufmodell. Schade? Vielleicht. Zu ändern ist es nicht. k.hammermann@volksfreund.deExtra Das Statistische Landesamt hat die Entwicklung der Landwirtschaft in den Kreisen von 1971 bis 2007 dokumentiert: Eifelkreis Bitburg-Prüm: 1971 gab es noch 7886 landwirtschaftliche Betriebe, die im Schnitt je zwölf Hektar Fläche bewirtschaftet haben. 2007 waren es nur noch 1836. Die durchschnittliche Betriebsgröße ist jedoch auf 43 Hektar angestiegen. Auch die Gesamtzahl der im Kreis bewirtschafteten Hektar Land ist seit 1971 (91 000) um mehr als 10 000 Hektar gesunken. Kreis Vulkaneifel: Rund 4300 Bauern gab es 1971 im Vulkaneifelkreis. 2007 waren es nur noch 827. Die durchschnittliche Größe der Betriebe ist von neun auf 38 Hektar angestiegen. Die gesamt bewirtschaftete Fläche von 38 000 auf 32 000 Hektar gesunken. Kreis Trier-Saarburg: Von den 6973 Betrieben (3100 Winzer), die es 1971 im Kreis gab, waren 2007 nur noch 1683 (1061 Winzer) übrig. Die durchschnittliche Betriebsgröße lag damals bei sechs Hektar. 2007 waren es 20. Die bestockte Rebfläche ist im gleichen Zeitraum von rund 4700 Hektar auf 3400 Hektar zurückgegangen. Kreis Bernkastel-Wittlich: Die Zahl der Bauern und Winzer ist im Kreis seit 1971 von 7531 (3382 Winzer) auf 2150 gesunken. Wie im Kreis Trier-Saarburg sind die meisten der "Überlebenden" Winzer (1460). Statt sechs Hektar (1971) wurden 2007 im Schnitt 17 Hektar Land bearbeitet. Dass die Betriebsflächen insgesamt deutlich kleiner sind als in den Eifelkreisen liegt daran, dass der arbeitsintensive Weinbau generell zu kleineren Betrieben führt. (kah)

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