Wackeln zur Unzeit

BERLIN/DÜSSELDORF. Wackelt die rot-grüne Koalition in Nordrhein-Westfalen? Spekulationen dieser Art kommen für Bundeskanzler Schröder zur Unzeit.

Der Kanzler wollte erst über das "ermutigende Wahlergebnis" in Bremen reden, bevor er auf den unangenehmen Teil der Reporter-Fragen zu sprechen kam: Was wird aus dem rot-grünen Bündnis in Nordrhein-Westfalen? Die Antwort fiel zwiespältig aus. Er denke, dass die Koalition zur erfolgreichen Sacharbeit zurück finden werde, meinte Gerhard Schröder. Bei den NRW-Grünen sei allerdings "gelegentlich eine Neigung zu Debatten festzustellen", die der Koalitionspartner in Berlin bereits "lange überwunden" habe. Der Schuldige ist also ausgemacht. Dabei war es Schröders Parteifreund, Peer Steinbrück, der die Spekulationen über ein rasches Ende von Rot-Grün in Düsseldorf angeheizt hatte. "Keine Koalition ist ein Wert an sich", erklärte der Ministerpräsident in Interviews. Seit acht Jahren regieren SPD und Grüne in Düsseldorf zusammen, aber eine Liebesheirat sieht anders aus. In den Augen der Ökos war der Regierungswechsel ein Pilotprojekt für den Bund, für die Sozialdemokraten dagegen ein notwendiges Übel nach 28 Jahren ununterbrochener Alleinherrschaft. Erschwerend kommt hinzu, dass die Genossen in Düsseldorf eher wirtschaftsliberal gestrickt sind, während sich die NRW-Grünen zuallererst auf ökologische Belange konzentrieren. Kein Wunder, dass das Bündnis schon mehrmals auf der Kippe stand. Zuletzt erhitzte der Konflikt über die Magnetschwebebahn Metrorapid sowie der Bau eines Gaskraftwerks bei Köln die rot-grünen Gemüter. Für Gerhard Schröder kommen die schrillen Töne aus Düsseldorf zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Auf dem Sonderparteitag am kommenden Sonntag sollen die Genossen endlich die Reform-Agenda absegnen. Und ein Wechsel der Düsseldorfer SPD zur FDP wäre für die Parteilinke ganz sicher ein rotes Tuch. "Wir haben alle ein Interesse daran, dass die Regierung in Düsseldorf weiter besteht", fasst der nordrhein-westfälische Bundestagsabgeordnete Dieter Wiefelspütz die politische Stimmung in Berlin zusammen. Allerdings mahnt auch er, dass die NRW-Grünen dazu "reformorientierter" werden müssten. Bundesgeschäftsführer Reinhard Bütikofer hütete sich gestern davor, weiteres Öl ins Feuer zu gießen. In Ermangelung eines anderen Koalitionspartners haben die Grünen auch keine andere Wahl. Hinter verschlossenen Türen fällt die Analyse freilich ganz anders aus. Bereits in der Vorwoche hatte Bärbel Höhn dem grünen Parteirat über "Ermüdungserscheinungen" der Düsseldorfer Koalition berichtet. Die NRW-SPD, so heißt es in grünen Führungskreisen, sei wegen ihrer schlechten Umfragewerte in Panik. Doch anstatt die Kanonen auf den politischen Gegner zu richten, werde der kleine Koalitionspartner attackiert. Um die Wogen zu glätten, hat Gerhard Schröder den Düsseldorfer Regierungschef Steinbrück für Donnerstag zu einem Treffen an die Spree gebeten. 2005, also ein Jahr vor der Bundestagswahl, wird in NRW ein neuer Landtag bestimmt. Mit einer Wahlniederlage im bevölkerungsreichsten Land der Republik wäre die SPD wohl auch im Bund die längste Zeit an der Macht gewesen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort