Wahlkampf unter der Gürtellinie

WASHINGTON. Der Wahlkampf-Apparat von George W. Bush schlägt zurück: Geschickt werden Affären-Gerüchte um den demokratischen Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur John Kerry lanciert.

Das Foto, ausgegraben von Mitglieder der republikanischen Partei nach wochenlanger Archivarbeit, zeigt die Hollywood-Schauspielerin und Friedensaktivistin Jane Fonda bei einer Demonstration gegen den Vietnam-Krieg. Nur zwei Reihen hinter ihr ein markantes Gesicht: Der mit fünf Orden dekorierte Vietnam-Kämpfer und demokratische Präsidentschaftsbewerber John Kerry. In Windeseile spielte die Bush-Partei in dieser Woche das Bild den Fernsehsendern und Printmedien zu. Das Ziel: Den Helden-Status von Kerry, der Umfragen zufolge derzeit George W. Bush eine zweite Amtszeit verwehren würde, bei den US-Veteranen zu diskreditieren. Amerika erlebt derzeit den Auftakt zu einer Schlammschlacht, die in den kommenden Wochen und Monaten noch eskalieren dürfte. Und dabei geht es schon längst nicht mehr als nur um die immer noch offene Frage, ob der US-Präsident 1972 tatsächlich ohne Unterbrechung bei der Nationalgarde - also an der sicheren Heimatfront - diente, während andere in Vietnam ihr Leben ließen. Längst ist die Debatte um den Aspekt erweitert worden, ob der vom Filmemacher Michael Moore bereits als "Deserteur” gebrandmarkte Bush nachträglich Dienstzeit-Belege fälschen und andere Stellen in seiner Militär-Vita schwärzen ließ, die ihn in unvorteilhaftes Licht stellen würden - wie etwa die Tatsache, dass er übermäßig dem Alkohol zusprach. Eine weitere Frage formulierte jetzt bei einer Live-Zuschaltung beim Nachrichtenkanal CNN ein Demokrat ziemlich ungeniert: Man gehe Gerüchte nach, so der Kerry-Mitarbeiter, dass Bush in früheren Jahren eine schwangere Jugendfreundin zu einer Abtreibung gezwungen habe. Eine Behauptung, die - würde sie sich als wahr erweisen - für den konservativen Texaner, der offiziell Schwangerschaftsabbrüche strikt ablehnt, zu einer enormen Belastung werden kann. Doch auch sein wahrscheinlicher Gegenkandidat John Kerry sieht sich jetzt mit einem Thema konfrontiert, das unter die Gürtellinie zielt. Denn der Internet-Reporter John Drudge, der vor sechs Jahren als erster über die Lewinsky-Affäre Bill Clintons berichtet hatte, bringt nun auch Kerry in Zusammenhang mit einer jungen Praktikantin. Die 20-jährige habe mittlerweile auf Drängen des Präsidentschaftsbewerbers das Land verlassen. Ein außerehelicher Fehltritt könnte Kerry tatsächlich in arge Bedrängnis bringen. Nicht nur Bill Clinton hatte massive politische Probleme mit seiner Nebenbeschäftigung im "Oval Office”. 1988 scheiterte beispielsweise der Demokrat Gary Hart, von seinen Parteifreunden bereits als neuer Kennedy gepriesen, schon bei den Vorwahlen, nachdem Bilder aufgetaucht waren, die den Verheirateten in außerehelicher Umarmung mit der Schauspielerin Donna Rice zeigten. Für das konservativ-prüde Amerika war dies ein klares "no no”. Einem kämen derartige Schlagzeilen natürlich gelegen: US-Präsident Bush, dessen Zustimmungsrate nach den kritischen Fragen zum Thema Irak und Militärdienst derzeit mit nur 52 Prozent auf dem niedrigsten Wert seit Beginn seiner Amtszeit liegt.

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