Wahre Freunde in der Not

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier ist bestürzt und erschrocken über die Lage im chinesischen Erdbebengebiet. Steinmeier besuchte die betroffenen Städte Chengdou und Dujiangyan, um sich über die Arbeit deutscher Hilfsorganisationen zu informieren.

Dujiangyan. Außenminister Frank-Walter Steinmeier bewegt sich sehr vorsichtig im chinesischen Erdbebengebiet. "Kein Katastrophentourismus" lautet die Losung des Besuches. Sondern Hilfe bringen. Statt mit Limousinen fährt die Delegation mit unscheinbaren kleinen Bussen. Es gibt kein geregeltes Leben mehr in der 600 000 Einwohner zählenden Stadt. Auf jedem freien Fleckchen Erde stehen Zelte. Es ist ein Leben im Matsch. Im Zentrum und in den Bergdörfern der Region sind die meisten Häuser nur noch Schutt und Asche, sagt Claus Muchow. Er ist im Hauptberuf Schornsteinfeger im Münsterland. Hier hat er für das Deutsche Rote Kreuz seit dem 23. Mai ein mobiles Lazarett aufgebaut. Es ist eine große, 300 Meter lange Zeltstadt, weiß und blitzsauber. Die Klinik hat alle Funktionen und muss jetzt bis zu 1000 Patienten täglich versorgen. Denn die sieben Krankenhäuser der Stadt sind außer Betrieb. Am Tag des Steinmeier-Besuches geht für Muchow und die noch verbliebenen sechs deutschen DRK-Helfer der Einsatz nach fast einem Monat zu Ende. Keinen Kilometer weiter warten 22 sehr aufgeräumt wirkende Männer vom Technischen Hilfswerk auf den Minister. Mit sechs Trinkwasseraufbereitungsanlagen schaffen sie täglich bis zu 600 000 Liter sauberes Wasser. 20 Millionen Euro hat die deutsche Soforthilfe bisher gekostet. Steinmeier bringt bei seinem Besuch noch drei Millionen Euro für den Wiederaufbau von acht Schulen mit. Deutsche Unternehmen haben das Geld gesammelt. Und Fußbälle für die Schüler einer Container-Schule. Die deutsche Hilfe ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber das Signal wird in China trotzdem aufmerksam wahrgenommen. Wahre Freunde in der Not seien die Deutschen, hat Ministerpräsident Wen Jiaobao zwei Tage zuvor in Peking gesagt. Machthaber werben um ihr Volk

Die Regierung hat die Bewältigung der Katastrophe zur nationalen Aufgabe gemacht, in nie gekannter Offenheit. Das gibt dem Unglück auch eine politische Dimension. Denn fast wirkt es so, als würben die Machthaber um ihr Volk und sein Vertrauen. Ob diese Haltung von Dauer ist, mag man im Berliner Außenministerium nicht sagen. Man hofft es. In jedem Fall findet Steinmeier die Reaktion beeindruckend, wie er wieder und wieder betont. Auch um die Gegenseite zu ermutigen, so weiterzumachen. Sorgsam registriert wurden von deutscher Seite auch kleine Begebenheiten. Etwa jene im Staatsfernsehen gezeigte Szene, als Ministerpräsident Wen Jiaobao einem weinenden Kind, das seine Eltern verloren hatte, sagte, der Staat sei jetzt sein Vater und werde sich kümmern. Das Kind weinte daraufhin noch mehr. Man wisse nicht, wie so etwas im Volk wirke, heißt es im Außenamt.

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