Wahrheits-Suche

Wenn US-Präsident George W. Bush auf dem am Montag beginndenen Nominierungsparteitag der Republikaner in New York die Errungenschaften seiner Amtszeit beschwört, dann wird dazu auch die Wirtschaftslage gehören.

Bush sieht hier "wachsenden Wohlstand”, während sein demokratischer Widersacher John Kerry und dessen Wahlkampf-Strategen gegenläufige Theorien präsentieren: Sinkende Nettolöhne und ein Arbeitsplatz-Abbau seien ebenso die Markenzeichen der derzeitigen Regierung wie ein Rekord-Haushaltsdefizit. Wo nun liegt die Wahrheit? Zweifelsohne sprechen zahlreiche Daten für eine deutliche wirtschaftliche Erholung seit den Terroranschlägen des 11. September, die auch der Konjunktur einen Tiefschlag versetzt hatten. Allein 1,5 Millionen neue Arbeitsplätze, so ergeben Statistiken, wurden in den vergangenen zehn Monaten neu geschaffen. Unternehmensgewinne steigen, man investiert wieder und stellt wieder ein. John Kerrys Beratern bleibt angesichts dieser Faktenlage nur, sich vermeintlich faule Rosinen aus den Datenbergen herauszupicken. So trifft sein Argument, dass die Zahl der insgesamt verlorenen Jobs seit dem Jahr 2000 die Zahl der neugeschaffenen übertrifft, grundsätzlich zu - doch in einer durch die Terroranschläge zunächst tief unter Schock stehenden amerikanischen Gesellschaft ist dies eine Entwicklung, die kaum von wirtschaftspolitischen Entscheidungen steuerbar erscheint. Am stärksten angreifbar erscheint Bush allerdings durch die neuen, am Donnerstag vorgelegten Statistiken, die von einer Zunahme der unter der Armutsgrenze lebenden Amerikaner um 1,3 Millionen auf fast 36 Millionen im Jahr 2003 berichten. Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der Bürger ohne Krankenversicherung um 1,4 Millionen. Beide Tendenzen geben dem Bush-Herausforderer Kerry neue Munition: Sie stützen nämlich den Vorwurf, dass trotz sich verbessernder Konjunkturlage die Politik des Texaners die Reichen noch reicher und die Armen noch ärmer gemacht hat. Für Kerry liefert die Bilanz gleichzeitig das perfekte Argument, seine beabsichtigten Steuererhöhungen zu verteidigen - eine Politik, deren Kernprinzip die Umverteilung des Wohlstands von oben nach unten ist. nachrichten.red@volksfreund.de

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