Warten auf Herz und Nieren

Christian Grassl war schon mit 19 Dialyse-Patient. Die maschinelle Blutwäsche sei extrem anstrengend gewesen, sagt der bayerische Wintersportler. Mehr als sechs Jahre lang musste Grassl mit diesem Zustand leben. 1993 bekam er eine Spender-Niere. Trotzdem hat Grassl Glück gehabt. Denn jedes Jahr sterben in Deutschland etwa 1000 Menschen, weil lebensrettende Organe nicht zur Verfügung stehen.

Berlin. (vet) Einer aktuellen Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zufolge hätten rund zwei Drittel der Bundesbürger nichts gegen eine Entnahme von Organen oder Gewebe nach ihrem Tod einzuwenden. 95 Prozent wissen sogar, dass es einen Organspendeausweis gibt. Aber nicht einmal jeder fünfte Befragte (17 Prozent) gibt an, ein solches Dokument auch tatsächlich zu besitzen. Das ist zwar ein leichter Fortschritt. Im Jahr 2001 lag die Quote lediglich bei zwölf Prozent.

Nach Einschätzung des Parlamentarischen Gesundheitsstaatssekretärs Rolf Schwanitz (SPD) reicht der positive Trend aber bei weitem noch nicht aus, um den Bedarf zu decken. Pünktlich zum "Tag der Organspende", bei dem am 6. Juni Verbände und Selbsthilfegruppen bundesweit über das Thema informieren, hat gestern auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung eine entsprechende Kampagne gestartet. Das Ziel besteht darin, die Zahl der Organspende-Ausweise deutlich zu steigern. Dafür hat die Regierung der Bundeszentrale in diesem Jahr zusätzliche Mittel im Umfang von 1,5 Millionen Euro bewilligt.

Es sei verständlich, dass viele Menschen zu Lebzeiten den Gedanken an den Tod verdrängten, sagt Schwanitz. Andererseits könne es jeden treffen, ein Spenderorgan zu benötigen. Dazu müssten Ängste und Vorurteile abgebaut werden. Nach der jüngsten Meinungsumfrage ist vor allem die Sorge vor einem missbräuchlichen Organhandel weit verbreitet. Jeder Dritte äußert zudem die Befürchtung, dass die Ärzte im Falle eines Spenderausweises nicht mehr alles tun würden, um das Leben des Betroffenen zu retten. Gesundheitsexperten halten diese Argumente für unbegründet. Nach dem seit 1997 geltenden Transplantationsgesetz dürfen Organe nur dann entnommen werden, wenn der Spender zu Lebzeiten seine Einwilligung gegeben hat. Liegt nichts dergleichen vor, müssen die Angehörigen nach seinem Tod entscheiden. Als Organspender kommen nur Menschen in Betracht, bei denen ein Hirntod, also der unwiederbringliche Ausfall aller Hirnfunktionen vorliegt. Der Hirntod muss von zwei Ärzten unabhängig voneinander festgestellt werden. Pro Jahr registrieren die deutschen Krankenhäuser etwa 400 000 Sterbefälle. Aber nur rund ein Prozent davon gehen auf einen Hirntod zurück. Die Zahl der potenziellen Spender ist also von vorn herein begrenzt.

Meinung

Nur ein Informationsdefizit?

Seit der Verabschiedung des Organtransplantationsgesetzes vor zwölf Jahren hat es nicht an Versuchen gemangelt, für dieses Thema zu sensibilisieren. Blanko-Ausweise zur Organspende wurden in millionenfacher Auflage verteilt. Regelmäßig finden Aufklärungskampagnen statt. Noch immer warten pro Jahr etwa 12 000 Patienten auf ein neues Herz oder eine neue Niere. Länder wie Österreich oder Spanien machen vor, dass es anders geht. Sie haben deutlich niedrigere Gesetzeshürden. Demnach ist eine Organentnahme erlaubt, so lange der Betroffene nicht ausdrücklich widersprochen hat. Von einem schwunghaften Organhandel oder dubiosen Sterbefällen, wie sie die Politik hier zu Lande befürchtet, ist nichts bekannt geworden. Neben geltender Rechtslage muss auch die Struktur der deutschen Krankenhäuser hinterfragt werden. Es gibt kaum professionelle Koordinatoren, die auf Intensivstationen potenzielle Organspender ausfindig machen. nachrichten.red@volksfreund.de

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