Warum an deutschen Restaurants kein Smiley klebt

Schmuddelküchen in Restaurants oder Gammelfleisch in der Frikadelle: Immer wieder gibt es Kritik an der Lebensmittelüberwachung in Deutschland. Verbraucher wünschen sich seit Jahren mehr Transparenz. Doch es gibt Widerstand aus der Wirtschaft und Streit um die Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern.


Wo hakt es derzeit?
Hauptkritikpunkt der Verbraucherschützer ist, dass die Ergebnisse der Lebensmittelkontrollen nicht komplett und namentlich veröffentlicht werden und nur schwer einzusehen sind. Eine bundesweit einheitliche Lösung dafür ist zwar angedacht, aber seit 2010 gibt es keine Einigung zwischen den Verbraucherschutzministern und den Wirtschaftsministern der Länder. Auch Bund und Länder schieben sich gegenseitig den Ball zu. Gastronomie- und Lebensmittelindustrie sind gegen eine komplette Veröffentlichung der Kontrollergebnisse.

Welche Vorschläge gibt es?
Am bekanntesten ist der Smiley: Das lachende, neutrale oder traurige Gesicht gibt - im Internet oder an der Tür - auf einen Blick Auskunft darüber, wie es um die Hygiene eines Lebensmittelbetriebs bestellt ist. In Dänemark wurde es 2001 eingeführt, mit Erfolg: Die Zahl der lachenden Smiley-Betriebe stieg um 20 Prozent. In Deutschland hat der Berliner Bezirk Pankow damit Erfahrungen gesammelt. Alternativ wird in Deutschland die Hygiene-Ampel diskutiert, bei der die Ergebnisse der Kontrollen auf einer Farbskala abzulesen sind. Einige Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen oder Hamburg wollen sie einführen, andere sind skeptisch. Umgesetzt ist sie bislang noch nirgendwo.

Welche Probleme sieht die Wirtschaft?
Gastronomie- und Lebensmittelbetriebe wehren sich gegen einen "Generalverdacht" und fürchten, zu Unrecht an den Pranger gestellt zu werden. Schlimmstenfalls könnten Betriebe wegen Bagatellschäden in den Ruin getrieben werden. Zudem hätten punktuelle Momentaufnahmen wenig Aussagekraft für die Verbraucher, so der Branchenverband Dehoga (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband). Das derzeit geltende Recht reiche aus, um gravierende Verstöße zu sanktionieren.

Was sagen die Lebensmittelkontrolleure?
Der Bundesverband der Lebensmittelkontrolleure hält Smileys für sinnvoll. So könnten Kunden "mit den Füßen abstimmen". Der Druck auf die Branche müsse aber auch durch mehr Kontrollen verstärkt werden. Dafür müssten die derzeit 2450 Kontrolleure bundesweit jedoch um 1500 aufgestockt werden. 2012 prüften die Kontrolleure knapp die Hälfte der 1,2 Millionen Lebensmittelbetriebe in Deutschland. Beanstandungen, meist bei der Hygiene, gab es bei jedem vierten der kontrollierten Betriebe.

Was ermöglicht das Verbraucherinformationsgesetz?
Das 2012 novellierte Gesetz (VIG) gibt Verbrauchern die Möglichkeit, sich bei Behörden auch über die Ergebnisse und Beanstandungen von Lebensmittelkontrollen zu informieren. Dies soll unkompliziert und kostengünstig erfolgen. Rechtsverstöße durch Grenzwertüberschreitungen müssen sogar zwingend veröffentlicht werden.
Die Foodwatch-Stichprobe ergab jedoch: Anfragen laufen teils viele Monate lang und kosteten im Durchschnitt 1800 Euro pro Gesamtantrag. Auch die im VIG vorgesehen Pflichtveröffentlichungen, wenn Schadstoffgrenzwerte in Lebensmitteln überschritten wurden oder Geldbußen von mindestens 350 Euro fällig waren, gibt es kaum.
Grund: Fast alle Bundesländer setzten sie aus, weil es zahlreiche Klagen aus der Wirtschaft dagegen gab.Extra

Rund 1,22 Millionen Lebensmittelbetriebe gibt es bundesweit. Im Jahr 2012 wurden laut Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) sowie der Organisation Foodwatch 881 406 Kontrollbesuche in 529 969 Betrieben vorgenommen. Die Beanstandungsquote lag bei 26 Prozent der kontrollierten Betriebe (2011: 27 Prozent; 2010: 26 Prozent; 2009: 24 Prozent). 395 386 Proben wurden im Labor untersucht (2011: 402 082; 2010: 408 643; 2009: 387 000). 12 Prozent dieser Proben wurden beanstandet (2011: 13 Prozent, 2010: 13,5 Prozent; 2009: 13,5 Prozent). Bei Fleischprodukten lag die Beanstandungsquote sogar zwischen 16 und 18 Prozent (2011: zwischen 17 und 19 Prozent, 2010: 18,9 Prozent; 2009: 18 Prozent).

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