Was den Trierern die Kriminalstatistik verhagelt

Trier · Warum werden in Trier deutlich mehr Straftaten registriert als in vielen anderen deutschen Großstädten? Im Trierer Polizeipräsidium glaubt man, die Antwort zu kennen: Die Stadt ist eine Touristenhochburg und beherbergt zudem noch die zentrale Aufnahmeeinrichtung des Landes für Asylbegehrende.

Trier. Wer in diesen Tagen durch Trier flaniert, braucht mitunter Geduld und starke Nerven. In den Sommermonaten schieben sich neben den Einheimischen auch viele Urlauber und Touristen durch die Innenstadt. Das zieht auch Gauner und Fallensteller an: Taschen- und Trickdiebe haben derzeit Hochkonjunktur. Das wiederum bedeutet auch Mehrarbeit für die Trierer Polizei, die sich um die Anzeigen der Opfer und die Verfolgung der Täter kümmern muss.
Die Straftaten schlagen sich am Ende eines Jahres in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) nieder. Und da hat Trier im bundesweiten Vergleich zuletzt alles andere als gut abgeschnitten. Unter 80 deutschen Städten mit mehr als 100 000 Einwohnern belegte Trier im vergangenen Jahr den 16. Platz. Von den großen rheinland-pfälzischen Städten hatte nur Koblenz mit Rang 13 eine noch schlechtere Bewertung. "Dass Trier eine Touristenhochburg ist", ist nach Meinung von Polizeisprecherin Monika Peters eine Ursache für die nicht gerade werbewirksame Platzierung auf der bundesdeutschen Kriminalitätsskala.
Ein weiterer Grund: Trier beherbergt die zentrale Aufnahmeeinrichtung des Landes für Asylbegehrende.
Sie wurde 1992 auf einem Kasernengelände im Trierer Norden eröffnet und bietet Platz für 700 Menschen, die dort maximal drei Monate untergebracht sind, bis das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge über ihren Asylantrag entschieden hat.
Alle Delikte, die in diesem Zusammenhang anfallen, werden von der sogenannten Ermittlungsgruppe Migration bearbeitet und schlagen sich in der Trie rer Kriminalstatistik nieder. "Das waren im vergangenen Jahr mehr als 1600 Fälle", sagt Polizeisprecherin Monika Peters, darunter allein 1173 Anzeigen wegen unerlaubter Einreise oder unerlaubten Aufenthalts.
"Sicher und lebenswert"


Laut Peters handelt es sich dabei um Delikte, die nur von Ausländern begangen werden können und nur von Menschen, "die unerlaubt, ohne Visum oder ohne Einladung einreisen". Und da in Rheinland-Pfalz nur Trier eine derartige Aufnahmeeinrichtung habe, könnten diese Delikte auch nur in Trier und nicht in anderen rheinland-pfälzischen Städten zu Buche schlagen.
Warum die Polizeisprecherin diesen Zusammenhang betont, liegt auf der Hand: Ohne die "Migrationsdelikte" stünde die Stadt in der aktuellen Kriminalstatistik des Bundeskriminalamts deutlich besser da. "Könnte man die Zahl dieser Delikte her-ausrechnen, so läge die Häufigkeitsziffer (siehe Extra) für die Stadt Trier bei 10 334 und damit unter den Zahlen der Städte Mainz und Ludwigshafen", erklärt Monika Peters.
Was die Polizeisprecherin nicht sagt: Auch mit einer Häufigkeitsziffer von 10 334 würde Trier noch keinesfalls zu den sichersten deutschen Großstädten zählen. In der aktuellen Statistik würde Trier damit auf Rang 33 landen, will heißen: 47 deutsche Großstädte schnitten besser ab.
Polizeipräsident Lothar Schömann sieht im Abschneiden Triers keinen Grund, an seiner regelmäßig wiederholten Aussage etwas zu korrigieren. "Die Region Trier und die Stadt Trier sind sichere und lebenswerte Orte", meinte er gestern auf Anfrage unserer Zeitung und verwies auf die "landesweit höchste Aufklärungsquote" im Bereich des Trie rer Präsidiums. In der Stadt Trier selbst werde diese Zahl sogar noch getoppt.
Den Leitenden Trierer Oberstaatsanwalt Jürgen Brauer beeindrucken derartige Zahlenspielereien nur wenig. "Die Polizeiliche Kriminalstatistik sagt doch nichts über die tatsächliche Kriminalität", meint der regionale Chef-Ankläger. "Wenn die Polizei sehr aktiv ist, werden mehr Straftaten bekannt, und das Dunkelfeld wird kleiner." Im umgekehrten Fall tauchten in der Statistik zwar weniger Straftaten auf, dafür sei die Dunkelziffer umso höher.
Wenn das stimmt, könnte Triers Polizeipräsident Lothar Schömann eigentlich ganz zufrieden sein. Dann gehörten die Trie-rer Polizisten nämlich zu den aktivsten im ganzen Land.Meinung

Fälschen ist überflüssig!
"Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast." - Dieser Ausspruch stammt von dem einstigen britischen Premier Sir Winston Churchill. Angeblich. Denn letztlich verbürgt ist das nicht. Genauso wenig wie der Wahrheitsgehalt so mancher Statistik, wie das aktuelle Beispiel Kriminalitätsgefährdung zeigt. Schraubt man nur ein wenig an den Bezugsgrößen herum, ist der Trierer Beritt einmal ein Hort relativ friedvollen Zusammenlebens und ein anderes Mal eine Kriminalitätshochburg in Deutschland. Das Besondere daran: Um zu diesen unterschiedlichen Ergebnissen zu kommen, muss man die Zahlen noch nicht einmal fälschen, nur anders sortieren. Was wir daraus lernen können? So er denn tatsächlich von Churchill stammt, hätte sich der britische Premier den zweiten Halbsatz seines Ausspruchs sparen können. Traue einfach keiner Statistik! r.seydewitz@volksfreund.de
Extra: Wo im Land ist es wie gefährlich?


Die Wahrscheinlichkeit, Opfer einer Straftat zu werden, drückt sich in der sogenannten Häufigkeitszahl aus, das heißt in der Anzahl der Delikte pro 100 000 Einwohner. Je höher der Wert, desto größer ist die Gefährdung. In der laut Kriminalstatistik gefährlichsten deutschen Großstadt Frankfurt wurden im vergangenen Jahr knapp 16 000 Delikte pro 100 000 Einwohner gezählt. In der sichersten deutschen Großstadt Fürth waren es dagegen nur knapp 6000. Damit war die Wahrscheinlichkeit, in Frankfurt Opfer einer Straftat zu werden, fast drei Mal höher als in Fürth. Mit knapp 12 000 Delikten lag Trier im vergangenen Jahr auf Platz 16 unter den 80 gefährlichsten deutschen Großstädten. Schaut man sich die Kriminalstatistik der gesamten Region an, schneidet das Trierer Polizeipräsidium allerdings gut ab. Mit einer Häufigkeitszahl von 5752 liegt die Region Eifel/Mosel/Hunsrück deutlich unter dem Landesschnitt (6479), ist damit sogar sicherer als Großstadt-Spitzenreiter Fürth. Besonders sicher können sich übrigens die 290 000 Einwohner im Zuständigkeitsbereich der Polizeidirektion Wittlich fühlen - dazu zählen etwa die Kreise Bitburg-Prüm, Daun und ein Großteil von Bernkastel-Wittlich. Hier registrierten die Statistiker gerade einmal 4753 Delikte pro 100 000 Einwohner. sey

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