Was die Atomkonzerne dem Staat anbieten

Berlin · Mit dem nahenden Atomausstieg im Jahr 2022 brennt Wirtschaft wie Politik das Thema Altlasten-Entsorgung immer mehr auf den Nägeln. Wie jeder Autobesitzer für die Abwrackung seines Fahrzeuges sind bisher auch die Energiekonzerne für Abriss und Entsorgung ihrer Meiler verantwortlich.

36 Milliarden Euro plus Klageverzicht. So wollen die Atombetreiber ihre Altlasten dem Staat übereigenen und sich so ihrer Verantwortung entziehen: Eine "Bad Bank" für die Kernenergie. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zu dieser Idee.

Wie lautet der Vorschlag der Konzerne?
Nach dem, was durchgesickert ist, wollen die Atomkonzerne die von Ihnen für Abriss und Entsorgung der Atommeiler bisher zurückgestellten 36 Milliarden Euro einer öffentlich-rechtlichen Stiftung übergeben. Die neue Stiftung, auch Bad Bank genannt, soll außerdem die noch laufenden neun Meiler und damit deren Einnahmen bis zum endgültigen Atomausstieg bekommen. Gegenleistung: Die Konzerne wollen dafür komplett von der Verantwortung und den Kosten für den Abriss der Atomkraftwerke und ihrer Entsorgung befreit werden.

Wer gewinnt bei diesem Angebot?
Die Konzerne. Sie schieben mit dem Deal nämlich ihre bisherige alleinige Verantwortung für die Altlasten an den Staat ab. Und damit auch das Risiko, dass die Entsorgung viel teurer wird. Die Energie-Expertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung bezifferte auf Anfrage allein die Abrisskosten aller deutschen AKW auf bis zu 43 Milliarden Euro. Die Endlagerung käme noch hinzu. Da die Endlagersuche nach dem Scheitern von Gorleben neu beginnt, sind die Kosten hier noch gar nicht absehbar.

Könnte sich das Geschäft für den Staat trotzdem lohnen?
Unter Umständen, ja. Derzeit klagen die Konzerne nämlich aussichtsreich gegen die Brennelementsteuer und gegen die Zwangsabschaltung einiger AKW nach der Havarie von Fukushima. Dem Staat drohen Strafzahlungen oder Entschädigungen in Milliardenhöhe. Bei einer Einigung würden die Konzerne ihre Klagen wohl fallenlassen.
Zudem hätte der Staat mit einer Stiftung sicheren Zugriff auf die Rücklagen, und das könnte wichtig werden. Denn den Firmen geht es wegen der Energiewende schlecht. Wenn eine von ihnen insolvent würde, wären die bisher angesparten Rücklagen verloren und der Staat säße auf den Altlasten. Organisationen wie Greenpeace sehen für dieses Problem aber eine andere Lösung. Die Konzerne sollen ihre Reserven schon jetzt in einen öffentlich kontrollierten Fonds einbringen - ohne ihre Verpflichtungen loszuwerden.

Wie sind die politischen Reaktionen?
Seitens der Bundesregierung hieß es gestern, man habe keinerlei Vorschlag erhalten und führe also auch keine Verhandlungen. Im Koalitionsvertrag werden zwar Gespräche mit den Betreibern angekündigt, jedoch nur "über die Realisierung ihrer rechtlichen Verpflichtungen". Im CDU-Vorstand reagierte man negativ. Einzig Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier fand, man müsse mit den Konzernen reden. "Wir können nicht warten, bis die Unternehmen pleite sind." Die Linken verwiesen darauf, dass die Atomwirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten mit rund 200 Milliarden Euro subventioniert worden sei. Wenn sie jetzt auch noch die Risiken auf die Allgemeinheit abwälzen wolle, handele sie nach dem Motto: "Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert." Greenpeace sprach von einem "dreisten Vorschlag". Auch DIW-Expertin Kemfert fragte, warum die Konzerne ihre hohen Gewinne nicht besser genutzt hätten, um für den Ausstieg vorzusorgen. Jetzt solle sie der Staat nicht aus ihrer Pflicht entlassen.Extra

Die Energiekonzerne sind verpflichtet, für den Rückbau von Atomkraftwerken und die Endlagerung von Atommüll Rückstellungen zu bilden. Die Rückstellungen Ende 2013 laut Bundesregierung: Eon: 14,6 Milliarden Euro RWE: 10,2 Milliarden Euro EnBW: 7,6 Milliarden Euro AKW Krümmel (Vattenfall): 1,8 Milliarden Euro AKW Brunsbüttel (Vattenfall): 1,6 Milliarden Euro dpa

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