Was die Verlierer im Land nach der Wahlpleite fordern

Mainz · Mainz Wie beendet ein Barkeeper die Wahlparty mit angesäuerten SPD-Anhängern? Er reicht ihnen eine Schüssel mit Zitronenscheiben. Klingt nach einem plumpen Witz, ist aber eine wahre Begebenheit aus der Kneipe, in der die rheinland-pfälzischen Genossen die Ergebnisse der Bundestagswahl verfolgen.

Immerhin: Der Wirt findet am späten Wahlabend einen jungen Mann, der zugreift.
Ähnlich bitter wie der Biss muss der Landes-SPD das Ergebnis im Bund vorgekommen sein - und auch das Abschneiden in Rheinland-Pfalz. Mit 24,2 Prozent lagen die Genossen zwar über dem Bundesdurchschnitt, schnitten aber um 3,3 Prozentpunkte schlechter ab als bei der Bundestagswahl 2013. Der rheinland-pfälzische SPD-Fraktionschef Alexander Schweitzer blickt nun nach vorne und fordert einen Neustart.
"Wir brauchen eine Neuerfindung der sozialdemokratischen Idee im 21. Jahrhundert", sagt Schweitzer im Gespräch mit dem TV. Dabei denke er an einen Prozess, der in den Kommunen beginne, sich über die Landesebene fortsetze und bis hinein in die Bundestagsfraktion dringe. Der 44-Jährige sagt: "Die SPD war immer dann stark, wenn sie nicht den Status quo verwaltet, sondern Angebote für die gesamte Gesellschaft geschaffen hat." Die Oppositionsrolle wertet Schweitzer als Chance, das Profil wieder zu schärfen. In der Bundesregierung sei versucht worden, politische Kompromisse mit der CDU als Errungenschaften zu verkaufen, was nicht genügend Wähler mitgerissen habe. Der Fraktionschef denkt schon an Inhalte, die eine erneuerte SPD wieder stärken könnten: den digitalen Kapitalismus zähmen und für Arbeitnehmer sozialverträglich gestalten.
Auch die Frage nach Zusammenhalt in Europa könne keine andere Partei besser beantworten, meint Schweitzer. Nach innen könne die SPD mit Bildung, öffentlicher Infrastruktur und der Ausstattung der Kommunen punkten und von Rheinland-Pfalz lernen. "Anstöße wie die gebührenfreie Kita sind aus unserem Bundesland gekommen."
Über einen Neuanfang sieht Schweitzer auch Chancen, Menschen zurückzugewinnen, "die die AfD gewählt haben und nicht rechtsradikal sind".
Auch CDU-Landeschefin Julia Klöckner spricht sich dafür aus, die AfD inhaltlich zu stellen. Die 44-Jährige kritisiert, manche Themen zu lange "den Falschen" überlassen zu haben. Als Beispiele nennt die 44-Jährige das Frauenbild. SPD und Grüne kritisiert sie dafür, zwar bei Gender-Fragen auf die Straße zu gehen, über die Vollverschleierung von Frauen jedoch die schützende Hand zu halten. "Wir müssen in der Mitte ein Maß finden, über Inhalte zu sprechen", fordert Klöckner. Einen Denkzettel für die CDU in Rheinland-Pfalz verneint sie aber.
Die Union ist mit 35,9 Prozent im Land zwar stärkste Kraft, mit einem Minus von 7,4 Prozentpunkten aber auch größter Verlierer.
Klöckner hält dagegen, dass kein anderer CDU-Landesverband ein so gutes Ergebnis erzielt habe. In den Wahlkreisen habe die Union mit Katarina Barley (Trier) und Andrea Nahles (Ahrweiler) zwei SPD-Bundesministerinnen das Direktmandat abgenommen. "Wir haben vom Wähler das Vertrauen geschenkt bekommen."

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