Was macht eigentlich….

"Elke Leonhard an der Hand nehmen…?", antwortete Anfang der 1990er Jahre schmunzelnd ein sozialdemokratischer Spitzenpolitiker bei einem Wahlkampfbesuch in der Bierstadt Bitburg auf die entsprechende Bitte des damaligen Bürgermeisters Horst Büttner. Da konnte sich auch der Rest der Runde ein Grinsen nicht verkneifen. Elke Leonhard saß damals zwar erst kurze Zeit als Eifeler Abgeordnete im Bundestag. Doch von gestandenen Kollegen an die Hand genommen werden musste die resolute Sozialdemokratin nicht. Im Gegenteil: Leonhard strotzte vor Selbstbewusstsein, machte sich in der Fraktion und darüber hinaus schnell einen Namen. Seit ihrem verpatzten Wiedereinzug ins Parlament ist es ruhig geworden um die heute 62-Jährige. Der TV erwischte die in Manderscheid lebende Leonhard daheim am Telefon.

 Plant kein Comeback als Politikerin: die SPD-Politikerin Elke Leonhard aus Manderscheid. TV-Foto: Archiv/Manfred Reuter

Plant kein Comeback als Politikerin: die SPD-Politikerin Elke Leonhard aus Manderscheid. TV-Foto: Archiv/Manfred Reuter

Wo und bei welcher Arbeit störe ich Sie gerade?
Leonhard: Ich habe gerade einen Monteur verabschiedet, der unsere Telefonanlage repariert hat. Ein Blitzeinschlag hatte die Anlage lahmgelegt. Ansonsten arbeite ich gerade mit meinem Mann an einem Filmprojekt über die "Gruppe Ulbricht", der er ja angehörte. Dann macht der Südwestrundfunk einen Film über den deutschen Schauspieler Heinrich George, der in einem sowjetischen Lager interniert war und dort auch gestorben ist. Ich habe aus Moskau die ganzen Akten und gucke sie gemeinsam mit meinem Mann durch. Er soll den Film kommentieren.
Wäre es bei der Bundestagswahl 2009 aus Ihrer Sicht gut gelaufen, säßen Sie jetzt in Berlin statt in Manderscheid: Haben Sie die Niederlage inzwischen verkraftet?
Leonhard: Ich habe das nicht als persönliche Niederlage empfunden. Auch andere Kandidaten hätten nicht besser abgeschnitten. Richtig rausgeflogen aus dem Bundestag bin ich 2005; vier Jahre später hatte ich das schon verarbeitet.
Rückblickend betrachtet: War Ihre Kandidatur nicht ein Fehler angesichts der beiden jüngeren SPD-Bewerber, die bei der Kandidatenaufstellung den Kürzeren gezogen haben?
Leonhard: Die beiden sind weiter im Rennen, was auch gut ist. Ich wurde damals von vielen aufgefordert zu kandidieren, und habe das auch mit Freude gemacht.
Dass es dann so kam, wie es gekommen ist, ist eben so.

Haben Sie inzwischen mit der parteipolitischen Karriereplanung abgeschlossen oder planen Sie ein neuerliches Comeback?
Leonhard: Es gibt zwar die Rente mit 67, aber ob man das immer auf die Spitze treiben soll, weiß ich nicht. Ich habe 20 Jahre als Parteipolitikerin hinter mir, es war eine gute Zeit, wir haben viel bewegt. Aber ein Comeback der SPD-Politikerin Elke Leonhard wird es nicht geben.
Mischen Sie sich denn noch in die Nachwuchsrekrutierung ein, oder haben Sie auch auf kommunaler Ebene einen Schlussstrich gezogen?
Leonhard: Auf kommunaler Ebene habe ich ja fast nie etwas gemacht. Aber wenn ich von einem SPD-Ortsverein oder einem anderen Gremium eingeladen oder um Rat gefragt werde, gehe ich natürlich hin. Hinter den Kulissen mische ich schon noch ein bisschen mit.
Zurück zu Ihren aktuellen Aktivitäten: Womit beschäftigen Sie sich zurzeit?
Leonhard: Mein Mann hat derzeit viele Anfragen und Projekte, bei denen ich ihn unterstütze. Um nicht dauernd auf Übersetzer angewiesen zu sein, lerne ich auch mit großer Begeisterung Russisch. Mein Mann gibt mir jeden Tag zweieinhalb Stunden Unterricht. Die Archive in Russland sind inzwischen alle zugänglich, das ist ein großer Gewinn. Die zweite Baustelle, an der ich nach wie vor arbeite, ist die Sozialdemokratie.
Da beschäftigte ich mich insbesondere mit der Frage, ob der Soziologe Ralf Dahrendorf recht gehabt hat, als er vom Ende des sozialdemokratischen Jahrhunderts sprach.
Und, hatte Dahrendorf recht?
Leonhard: Die Sozialdemokratie ist im Moment fast tot.
Für mich sieht es derzeit eher so aus, als erhole sich der Patient SPD, während Liberale und Christdemokraten ums Überleben kämpfen …
Leonhard: Alle sogenannten Volksparteien haben Probleme.
Welche Genesungskur empfehlen Sie denn Ihrer Partei?

Leonhard: Die SPD muss sich von den Füßen bis zu den Haarspitzen modernisieren. Sie muss Themen belegen, die die Menschen auch interessieren, etwa den demografischen Wandel. Da kommt eine Lawine auf die Gesellschaft zu.
In der Region Trier hat man Sie bei öffentlichen Anlässen schon lange nicht mehr gesehen: Woran liegt das?
Leonhard: Wenn ich zu Veranstaltungen eingeladen werde und hier bin, gehe ich auch hin.

Zu welchen Ihrer ehemaligen Berliner Kollegen haben Sie noch regelmäßig Kontakt?
Leonhard: Ich sehe alle - irgendwie. Als Ehrenpräsidentin der Parlamentarischen Gesellschaft bin ich noch oft in Berlin, da trifft man die Leute.

Schwelgen Sie dann in Erinnerungen an die vermeintlich gute alte Zeit, oder um welche Themen drehen sich die Gespräche?
Leonhard: Nein. Wenn ich mich mit Leuten treffe, dann, damit ich hinter den Kulissen etwas herumwirtschaften kann, das ist ja immer gut.
Womit können wir bei Ihnen in nächster Zeit noch rechnen?
Leonhard: Man kann damit rechnen, dass ich einmal pro Jahr mit einer Publikation herauskomme. Ich habe beispielsweise noch einen Vertrag über eine Helmut-Schmidt-Biografie.
Und sonst? …
Leonhard: … mache ich viel Sport, damit ich fit bleibe. Ich schwimme jeden Tag zwei Kilometer, das muss sein. Zudem laufe ich noch und spiele Tennis. Das Golfspielen habe ich wieder eingestellt. Entweder hatten die Golflehrer Schwierigkeiten mit mir, oder ich hatte Schwierigkeiten mit den Lehrern.

Das Interview mit Elke Leonhard führte unser Redakteur Rolf Seydewitz.
Die gebürtige Nordhessin Elke Leonhard saß von 1990 bis 2005 für die SPD im Bundestag. Bereits Ende der 1960er Jahre trat sie der SPD bei, war damals jüngstes Stadtratsmitglied in ihrer Heimatgemeinde. Leonhard promovierte über die Sozialdemokratie und schrieb auch mehrere Bücher über die Partei und die Genossen. Seit 1974 ist sie mit dem Publizisten und Sowjetunion-Experten Prof. Wolfgang Leonhard verheiratet. Die beiden leben in Manderscheid in der Eifel.

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