"Was Schulz sagt, kommt rüber"

Trier · Im Gespräch mit dem Volksfreund begründet die SPD-Generalsekretärin, warum der neue Parteivorsitzende der Richtige ist.

Am Sonntag wählt die SPD den Nachfolger von Parteichef Sigmar Gabriel. Gleichzeitig wird Martin Schulz auch als Kanzlerkandidat nominiert. Über den neuen Mann an der SPD-Spitze sprach TV-Redakteur Rolf Seydewitz mit Generalsekretärin Katarina Barley.

Die SPD dümpelte seit der letzten Bundestagswahl bei 25 Prozent, jetzt liegt sie plötzlich um die 32 Prozent. Wie erklären Sie sich das?
BARLEY Wir wussten aus Umfragen schon letztes Jahr, dass das Potenzial dafür da ist. Und dass die Menschen mit unserer Regierungsarbeit zufrieden sind. Und wir wussten sogar schon, dass sich eine Mehrheit der Menschen eine SPD-geführte Bundesregierung wünscht. Was uns fehlte, waren Selbstbewusstsein und Zuversicht. Das ist seit Martin Schulz jetzt anders.

War Sigmar Gabriel wirklich so ein schlechter Vorsitzender?
BARLEY Ganz und gar nicht. Gabriel hat die Partei in einer schwierigen Zeit übernommen und sieben Jahre geführt. Nehmen Sie nur den letzten Koalitionsvertrag: Der ist ausgezeichnet verhandelt worden, enthält 80 Prozent sozialdemokratische Positionen. Sigmar Gabriel hat aber auch immer gesagt: Wenn über so lange Zeit die Mannschaft in den Umfragen nicht performt, dann stellt sich irgendwann die Trainerfrage. Das war ihm bewusst, und er hat die Konsequenzen daraus gezogen. Dieser Schritt verdient Hochachtung.

Warum hat sich die Partei nie mit Gabriel angefreundet?
BARLEY Sigmar Gabriel genießt in der ganzen SPD viel Respekt. Aber er ist auch ein Mann der klaren Worte. Er hat selbst mal gesagt, dass er der Partei viel zugemutet habe, aber die Partei ihm auch. Sigmar Gabriel polarisiert: Das hat zu positiven Effekten geführt, aber es gab auch immer kritische Stimmen.

Warum ist die Entscheidung richtig, dass Schulz Kanzlerkandidat und Parteichef wird?
BARLEY Martin Schulz ist ein überzeugter Demokrat und Europäer. Wenn man sieht, was in Europa und Amerika passiert, ist es unglaublich wichtig, jemanden zu haben, der um den Wert Europas weiß. Diesen Wert hat er immer mit deutlichen Worten gegen antidemokratisches und populistisches Geschwätz verteidigt. Zudem ist er jemand, der aufgrund seines eigenen Lebenswegs die Probleme vor Ort kennt und einschätzen kann. Und er hat eine sehr klare Sprache. Was er sagt, kommt rüber und kommt an.

Sind Sie nicht manchmal selbst erschrocken über den Hype, der um den mutmaßlichen SPD-Heilsbringer gemacht wird?
BARLEY Ich wusste, dass die Kandidatur von Martin Schulz in der SPD positiv einschlagen und gut ankommen würde. Was gerade außerhalb der Partei passiert, habe ich so auch nicht zu hoffen gewagt. Es ist aber viel mehr als ein Hype. Die Begeisterung für Martin Schulz hält ja an. Es geht mir ja selbst so: Wenn Martin Schulz redet, berührt es einen. Man merkt, dass seine Aussagen auf tiefen Erfahrungen und echtem Einfühlungsvermögen beruhen. Deshalb ist die Begeisterung so groß. Und deswegen ist Martin Schulz so viel in Deutschland unterwegs, weil die Begegnung mit ihm schon etwas Besonderes ist.

Kritiker werfen dem designierten Parteivorsitzenden vor, mit seiner Abkehr von der Agenda 2010 die Populismusschiene zu fahren …
BARLEY Die Behauptung stimmt nicht. Martin Schulz sagt selbst: Man muss jede Politik im Zusammenhang ihrer Zeit sehen. Es geht ja jetzt nicht darum, ins Jahr 2003 zurückzukehren und Weichen anders zu stellen. Damals gab es fünf Millionen Arbeitslose und leere Sozialkassen; heute geht es uns wirtschaftlich ausgesprochen gut, aber der Wohlstand ist ungleich verteilt. Darauf müssen wir Antworten der Zeit geben, darauf kommt es an.
Sie wurden unter Gabriel Generalsekretärin. Hat Schulz schon signalisiert, dass er an Ihnen festhält?
BARLEY Ja, da waren wir uns sehr schnell einig. Wir sind beide von Geburt Rheinländer und Fans desselben Fußballvereins …

Sie sprechen von Eintracht Trier …
Barley Die Eintracht in allen Ehren, aber ich meine jetzt die Bundesliga. Da sind wir beide FC Köln-Fans, waren auch früher schon zusammen bei Spielen. Zudem verbindet uns noch das tiefe europäische Verständnis.

Sie sind für den SPD-Wahlkampf verantwortlich. Auf welche Themen setzt die Partei?
BARLEY Das Thema Gerechtigkeit wird ganz oben auf der Agenda stehen, soziale Gerechtigkeit, aber auch Gerechtigkeit bei Bildung, Steuern oder den Lebensverhältnissen in Stadt und Land. Aber wir sind noch im Programmprozess und werden das detailliert auf unserem Parteitag Ende Juni festlegen.

Mit welcher Partei wird die SPD auf keinen Fall koalieren?
BARLEY Mit der AfD, das ist ganz klar. Darüber hinaus werden wir einen Wahlkampf erleben, in dem keine Partei eine Koalitionsaussage machen wird. Auch wir nicht.

Schulz sagt zur Landtagswahl im Saarland, er halte ein rot-rotes Bündnis nicht für problematisch.
BARLEY Demokratische Parteien müssen in der Lage sein, mitein-ander zu koalieren. Aber erst müssen einmal die Wähler entscheiden.

Hand aufs Herz: Als Generalsekretärin sind Sie in Berlin doch so eingespannt, dass Sie für Ihren Wahlkreis keine Zeit mehr haben. Warum treten Sie dann noch einmal an?
BARLEY Das gilt ja für alle Spitzenpolitiker. Das Wort geht mir noch nicht so leicht über die Lippen, weil ich ja erst drei Jahre dabei bin. Aber natürlich benötigen gerade wir die Anbindung vor Ort. Ich bin sehr viel in meinem Wahlkreis unterwegs, auch wenn ich das nicht immer öffentlich mache. Und andererseits habe ich durch meine Position mehr Möglichkeiten, auf Bundesebene Dinge durchzusetzen. Davon profitiert auch mein Wahlkreis Trier.
Rolf SeydewitzAUCH SPD-POLITIKER AUS TRIER REISEN NACH BERLIN

Unter den Delegierten des SPD-Bundesparteitags sind auch 49 Frauen und Männer des Landesverbands Rheinland-Pfalz. Aus der Region Trier fahren unter anderem Ministerpräsidentin Malu Dreyer, die Landtagsabgeordneten Bettina Brück, Astrid Schmitt, Nico Steinbach und Sven Teuber sowie der Dauner SPD-Kreistagsfraktionschef Jens Jenssen nach Berlin.ZUR PERSON: KATARINA BARLEY

Die promovierte Juristin Katarina Barley ist seit Dezember 2015 SPD-Generalsekretärin. Die 48-Jährige sitzt seit 2013 für die SPD im Bundestag. Zuvor war sie Referentin im rheinland-pfälzischen Justizministerium. Katarina Barley wurde in Köln geboren, studierte Rechtswissenschaften in Marburg und Paris. Sie lebt in Schweich und hat zwei Söhne.

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