Weg frei für die Brexit-Verhandlungen

Brüssel · EU-Gipfel beschließt politische Leitlinien ohne Diskussionen

Brüssel Mit einem Signal großer Geschlossenheit geht Brüssel in die Brexit-Verhandlungen. Ohne weitere Diskussionen haben die Regierungschefs der künftig noch 27 Mitgliedsstaaten umfassenden EU die politischen Leitlinien für die Gespräche mit London beschlossen. EU-Ratspräsident Donald Tusk sagte anschließend: "Das war das erste und vermutlich auch das letzte Mal, dass die EU sich innerhalb von vier Minuten einig ist." Die eigentlichen Verhandlungen sollen im Juni nach der Unterhauswahl im Vereinigten Königreich beginnen und am 29. März 2019 abgeschlossen sein. Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich erfreut über die Geschlossenheit in der EU 27: "Wir haben alle durch Applaus kundgetan, dass dies ein wichtiger Text ist. Damit waren die Leitlinien verabschiedet." Zentrale Festlegung der Leitlinien ist, dass die Verhandlungen mit London in zwei Etappen ablaufen. In einer ersten Phase, die möglichst schon im Herbst abgeschlossen ist, soll über den zukünftigen rechtlichen Status von drei Millionen EU-Bürgern entschieden werden, die in Großbritannien leben, sowie von zwei Millionen Briten, die auf dem Kontinent leben. Außerdem soll es dabei um die Schlussrechnung gehen, die Großbritannien mit seinem EU-Austritt etwa für Pensionen von EU-Beamten und sonstige während der EU-Mitgliedschaft eingegangenen finanziellen Verpflichtungen begleichen soll. Erst wenn es hier "substanzielle Fortschritte" gibt, soll Phase zwei der Verhandlungen beginnen, in der es um ein Freihandelsabkommen sowie die künftige Zusammenarbeit in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik gehen soll. Merkel warb dafür, auch die Entwicklung der EU nicht aus den Augen zu verlieren: "Wir müssen an unsere eigene Agenda denken und uns nicht nur mit dem Austritt beschäftigen." Sie ist bemüht, das Klima für die Verhandlungen mit London nicht weiter zu belasten: "Niemand hat sich gegen das Vereinigte Königreich verbündet." Es sei aber selbstverständlich, so Merkel weiter, "dass wir uns jetzt zusammenschließen" und mit gemeinsamen Positionen in die Gespräche gehen. Offiziell war die Türkei kein Thema beim Gipfel. Doch Merkel teilte anschließend mit, sie habe mit EU-Ratspräsident Donald Tusk über die Türkei gesprochen. "Tusk hat uns in Aussicht gestellt, dass er am Rande des Brüsseler Nato-Gipfels Ende Mai das Gespräch mit Präsident Erdogan suchen will." Vorher werde er die Hauptstädte der EU 28 konsultieren, um sich auf eine gemeinsame Linie zu verständigen. Unterdessen gibt es auch im Streit zwischen der EU und Budapest um die Central European University (CEU) Hinweise darauf, dass der ungarische Regierungschef Viktor Orban einlenken will. Wie Merkel mitteilte, habe "Orban die Kritik aufgenommen und ist bereit, seine Haltung zur CEU zu überdenken." KommentarMeinung

Im Aufwind: EU 27 zieht an einem StrangEndlich einmal wieder gute Nachrichten aus Brüssel. Die EU 27 gehen untergehakt in die Brexit-Verhandlungen. So viel Einmütigkeit wie jetzt, da die Gespräche mit London bevorstehen, gab es selten in letzter Zeit. Das Gefühl, dass es etwas zu verteidigen gibt, dass Milliarden auf dem Spiel stehen, all das schweißt die Regierungschefs zusammen. Beim Brexit wird es zwar keine Gewinner geben. Auch die EU der 27 wird Federn lassen, wenn mit London der zweitgrößte Nettozahler und die zweitgrößte Volkswirtschaft von Bord geht. Doch der Eindruck verstärkt sich, dass zumindest der Weg, den die Briten gehen, steiniger wird. Dies dürfte den Wunsch von EU-Kritikern anderswo dämpfen, es den Briten nachzutun. Auch sonst läuft es gerade gut: Meinungsumfragen ergeben, dass die Zustimmung der Bürger zur EU wieder steigt. Inzwischen ist wieder der Wert wie vor Ausbruch der Finanzkrise 2008 erreicht. Wobei 58 Prozent Zustimmung immer noch ein Ansporn sein müssen, besser zu werden. nachrichten.red@volksfreund.de

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