Weichensteller in Klausur

Wenn jemand in Klausur geht, will er sich "einschließen", um abgeschottet vom Rest der Welt Gewissenserforschung betreiben und knifflige Fragen erörtern zu können. Mittlerweile bedient sich auch die Politik dieses probaten Mittels, obgleich ihre Form der Kontemplation nichts mehr mit dem eigentlichen Sinn zu tun hat.Die Polit-Klausuren heutiger Prägung sind vielmehr inszenierte Medienspektakel, bei denen in größerer Runde nachgekaut wird, was kleinere Kreise bereits vorgekaut haben. Und genau so schmeckt es dann auch.Mit Ausnahme der FDP, deren traditionelles Dreikönigstreffen wenigstens nicht als Klausur verkauft wird, wollen also SPD (in Weimar und Leipzig), CDU (in Hamburg), CSU (in Wildbad Kreuth) und Grüne (in Wörlitz) "die Weichen für 2004" stellen. Die Absicht ist begrüßenswert, zumal die politische Planung im Allgemeinen nur selten über den (Wahl)Tag hinaus reicht.Allerdings lehrt die Erfahrung, dass solche Veranstaltungen selten vom Geist der Nachhaltigkeit beseelt sind und sich oft in populären Postulaten erschöpfen: Mehr Arbeit! Mehr Bildung! Mehr Geld für alle! Nun ist das Paradies aber nicht von dieser Welt, und das permanente Umkreisen eines Problems löst dieses noch lange nicht.Gleichwohl können Klausuren durchaus von Nutzen sein - wenn sie ernst gemeint sind und die Volksvertreter erst dann wieder heraus kommen, wenn weißer Rauch das Ende der scheinheiligen Steuerdebatte verheißt. nachrichten.red@volksfreund.de

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