Weiter Eiertanz um den Unterhaltsvorschuss

Berlin · Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) hält an der Ausweitung des staatlichen Unterhaltsvorschusses für Alleinerziehende fest. Sie bedauere, dass die Länder vom Abschluss abgerückt seien. Damit sei der vorgesehene Starttermin am 1. Januar 2017 nicht einzuhalten.

Berlin. Der SPD-Chef persönlich hatte sich der Sache angenommen: "Es ist ein Skandal, dass drei Viertel der Kinder alleinerziehender Mütter keinen oder zu geringen Unterhalt vom Kindesvater bekommen. Da muss sich dringend etwas ändern", meinte Sigmar Gabriel schon im August. Vier Monate später hängt sein leidenschaftliches Plädoyer immer noch politisch in der Luft.Finanzierung nicht geklärt


Zwar hatten sich Bund und Länder im Oktober auf eine Ausweitung des sogenannten Unterhaltsvorschusses geeinigt. Auch ein entsprechender Kabinett-schluss ist bereits aktenkundig, und am Mittwoch bekräftigte die Bundesregierung das Vorhaben quasi noch einmal im Rahmen der Beschlussfassung über den neuen Finanzpakt zwischen Bund und Ländern. Doch es gibt einen markanten Schönheitsfehler: die Finanzierung ist ungeklärt. Im Bremserhaus sitzen vor allem die Länder. Dabei ist die SPD an 14 der 16 Landesregierungen mitbeteiligt, in neun stellt sie sogar den Regierungschef. Für Familienministerin Manuela Schwesig ist das besonders bitter: Die Sozialdemokratin hatte öffentlich schon Vollzug beim Unterhaltsvorschuss gemeldet. In den sozialen Netzwerken zollten Betroffene der Ministerin deshalb Lob und Anerkennung. Nun steht fest: Sie haben sich zu früh gefreut. Am 1. Januar sollte die Reform starten. Daraus wird nichts. Und ein neuer Termin ist vorerst nicht in Sicht.
Rund 2,3 Millionen Kinder in Deutschland werden in Haushalten von Alleinerziehenden, groß. In aller Regel sind es die Mütter. Fast 44 Prozent dieser Haushalte leben an der Armutsschwelle. Umso schlimmer, wenn der vormalige Partner keinen oder kaum Unterhalt zahlt. In solchen Fällen springt die Kommune ein. Der Unterhaltsvorschuss ist hier allerdings auf maximal sechs Jahre befristet. Wird das Kind zwölf Jahre alt, ist damit ohnehin Schluss. Mit der geplanten Reform will Schwesig die zeitliche Beschränkung abschaffen und die Altersgrenze auf 18 Jahre erhöhen.
Rund 260 000 Kinder zusätzlich, so heißt es in ihrem Ressort, könnten von der Neuregelung profitieren. Dem Einwand, der Plan nütze den allermeisten Betroffenen nichts, weil der Unterhaltvorschuss mit ihren Hartz-IV-Bezügen verrechnet werde, setzt Schwesig das "Aufstocker"-Argument entgegen: Vor allem müsse man berufstätigen Alleinerziehenden helfen, die nur wegen des fehlenden Unterhalts auf ergänzende Grundsicherung angewiesen seien. Nach Angaben ihres Ressorts sind davon etwa 70 000 Personen betroffen. Die Mehrkosten der ganzen Operation belaufen sich auf 790 Millionen Euro.
Eine bescheidene Größenordnung, wenn man bedenkt, dass der Berliner Politikbetrieb in aller Regel mit Milliarden hantiert. Umso unverständlicher mutet allerdings auch der ganze Zirkus um dieses Vorhaben an.
Die Länder fordern, dass der Bund wenigstens die Hälfte der Kosten übernimmt. Nach den bisherigen Regularien beim Unterhaltsvorschuss ist es ein Drittel. Dahinter steckt auch die Befürchtung der Länder, dass am Ende alles teurer werden könnte, weil die Zahl der Anspruchsberechtigten womöglich weit über den Annahmen liegt. Doch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble will kein zusätzliches Geld opfern. Am Mittwoch verwies der CDU-Politiker lediglich auf eine bereits vereinbarte Arbeitsgruppe von Bund und Ländern, die in den kommenden Wochen einen Kompromiss zum Unterhaltvorschuss schmieden soll.
Dazu könnte zum Beispiel gehören, anfangs nur die Alleinerziehenden ohne Hartz-IV-Bezug zu berücksichtigen, um die Kommunen nicht mit Bürokratie zu überfordern.Kleinlaute Ministerin


Schwesig meinte am Mittwoch etwas kleinlaut, für sie sei wichtig, dass die neue Leistung "überhaupt kommt". Es lief schon besser für die Familienministerin. Von Sigmar Gabriel übrigens war zum Unterhaltsvorschuss schon länger nichts mehr zu hören ...

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