Wenige Posten für viel Personal

BERLIN. Die SPD hat ihre Hausaufgaben gemacht – Angela Merkel will ihre Ministerriege am Montag vorstellen. Die künftige Kanzlerin muss dabei vor allem Rücksicht auf die Landesverbände ihrer Partei nehmen.

Unter anderen Vorzeichen wären sie allesamt verbal verprügelt worden, doch der großkoalitionäre Intensivflirt macht es möglich. Eine "respektable Mannschaft" habe die SPD auf die Beine gestellt, lobte gestern Noch-CDU-Generalsekretär Volker Kauder die künftige Regierungstruppe der Genossen. Ob das auch für das Team der Union gelten wird, muss noch abgewartet werden - Angela Merkel will ihre Ministerkandidaten erst am Montag vorstellen. Genossen bringen Fahrplan durcheinander

Die Personalhast der Genossen hat den Fahrplan der Ostdeutschen durcheinander gebracht. Eigentlich wollte sie länger abwarten und sondieren. Dank der SPD ist jetzt Druck da, schnell nachzulegen. Aus ihrem Umfeld heißt es, Merkel strukturiere ihr Tableau von oben nach unten - angefangen bei dem aus ihrer Sicht wichtigsten Posten, dem des Fraktionsvorsitzenden. Volker Kauder, ein ganz enger Vertrauter und Weggefährte, soll angeblich diesen Job übernehmen. Das wurde gestern am Rande der Unions-Fraktionsvorstandssitzung kolportiert. (Zu den einzelnen Kandidaten siehe auch Grafik: "Die Verteilung der Ministerprosten".) Kommt es tatsächlich so, nimmt Kauder eine Schlüsselstellung in Merkels Machtgefüge ein, denn er wird "Scharnier" zwischen Kanzlerin und Fraktion. Wer sein Nachfolger als General werden könnte, ist offen. Ansonsten lässt sich die Chefin der Großen Koalition bei den Personalien noch etwas Zeit. Heute tagt das Präsidium der Union, am Wochenende will die künftige Kanzlerin die letzten Telefonate und Gespräche führen. Erst Präsentation dann Verhandlungen

Für Montag ist schließlich die Präsentation der Unions-Regierungsmannschaft geplant. Dann beginnen auch die Koalitionsverhandlungen von Union und SPD. Die Zahl der Posten für die Union an vorderster Stelle ist nicht allzu groß, und Edmund Stoiber ist als Wirtschaftsminister bereits gesetzt. Das Gerangel, auch um die Jobs in den zweiten Reihen wie die der Staatssekretäre, ist schon im vollen Gange. Merkel muss dabei einen Drahtseilakt vollführen. Denn sie hat bei der Auswahl besonders auf den strengen Länderproporz Rücksicht zu nehmen. Sonst droht ihr der Groll einzelner Landesfürsten und -verbände sowie deren Stadthalter in Berlin. Als Kanzleramtsminister läuft es nun auf den bisherigen Parlamentarischen Geschäftsführer der Unionsfraktion, Norbert Röttgen, hinaus. Damit hätte Merkel den mitgliederstärksten Landesverband Nordrhein-Westfalen einigermaßen zufrieden gestellt, der mit Norbert Lammert auch noch den Bundestagspräsidenten aufbieten wird. An Niedersachsen und Hessen kann die CDU-Chefin ganz und gar nicht vorbeigehen, sonst dürften sich die beiden mächtigen Ministerpräsidenten Christian Wulff und Roland Koch auf den Plan gerufen fühlen. Gesetzt ist Wulffs Kandidatin Ursula von der Leyen als Familienministerin. Für Hessen ist der bisherige Chef der Landtagsfraktion, Franz-Josef Jung, als Verteidigungsminister im Gespräch. Als Vertrauter von Roland Koch wäre er zugleich sein verlängerter Arm ins Kabinett hinein. Kopfzerbrechen dürfte Merkel bereiten, dass sie auf ihrer Liste neben Kauder noch zwei Baden-Württemberger stehen hat: Annette Schavan als Bildungsministerin und Wolfgang Schäuble als möglichen Innenminister. Drei sind deutlich zu viel. Es kann also sein, dass noch jemand weichen muss. Darüber hinaus hat die künftige Bundeskanzlerin in ihrer eigenen Partei bei ihrer Personalplanung noch folgende Punkte zu beachten: In der Bundestagsfraktion herrscht einerseits Unmut, weil wichtige Ressorts bei den Genossen gelandet sind. Andererseits fordern die Abgeordneten, dass nicht nur Aussenstehende, sondern auch aus ihren eigenen Reihen genügend Parlamentarier die Chance erhalten, die Karriereleiter zu erklimmen.

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