Wenn der Wind sich dreht
Viele haben in diesem Monat 24 Fensterchen geöffnet. Für die Große Koalition hat sich dagegen ein Fenster geschlossen - das rund zwei Jahre große Fenster einer wahlarmen Zeit.
Der anstehende Jahreswechsel markiert die Trennlinie zwischen leidlich seriöser Politik und politischem Wahlkampf-Zauber. Wie werden es die beiden Lager noch bis Herbst 2009 miteinander aushalten, wenn das unterschwellige Rauschen ihrer Konkurrenz zum Getöse wird?
Der Regierung Angela Merkels lässt sich zweifellos eine Menge nachsagen. Aber nicht, dass sie die Hände in den Schoß gelegt hätte. Unter dem Diktat des kleinsten gemeinsamen Nenners wurde die Reformarbeit allerdings auch vielfach zur Enttäuschung. Auf der Haben-Seite steht praktisch nur das ungeliebte Gesetz zur Rente mit 67. Bei der Krankenversicherung konnten sich Union und SPD genauso wenig zu einer nachhaltigen Finanzreform durchringen wie bei der Pflegeversicherung.
Rückblickend war das wichtigste innenpolitische Ereignis des Jahres die Gründung der Linkspartei. Plötzlich ging ein Gespenst um in Deutschland, ganz besonders in der SPD - eine bundesweite Links-Konkurrenz. Die Folgen sind nicht unerheblich: Das verlängerte Arbeitslosengeld für Ältere und der staatliche Post-Mindestlohn markieren die schleichende Beerdigung der Agenda 2010. Der SPD verschaffte sie wieder etwas Luft. Kurt Becks Devise für das Wahlvolk heißt Zugeständnisse statt Zumutungen. Und weil es um die Gerechtigkeit im Land fühlbar schlecht bestellt ist, macht die Union zähneknirschend mit. Zur Halbzeit liegen die Christdemokraten in den Umfragen zwar weiter deutlich vorn. Aber die SPD rüstet zur Aufholjagd. Die innerparteiliche Kritik an Kurt Beck ist jedenfalls verstummt, nachdem der Pfälzer den Seinen wieder eine politische Richtung gewiesen hat. Was Merkels Vorsprung wert ist, wird sich schon in ein paar Wochen zeigen, wenn die Hessen, Niedersachsen und Hamburger zu den Wahlurnen schreiten. Es sind allesamt "schwarz" regierte Bastionen. Die Union hat also mehr zu verlieren. Selbst der kleinste Zugewinn für die Genossen könnte die politische Windrichtung im Land beeinflussen. Schon auf ihren jüngsten Parteitagen haben SPD und Union einen polarisierenden Dauerwahlkampf eingeläutet. Die Genossen setzen wieder stärker auf ihr soziales Gewissen. Die Christdemokraten konterten trotzig mit dem Schlachtruf "Was mit uns nicht zu machen ist". Kein flächendeckender Mindestlohn, keine weitere Aufweichung beschlossener Reformen. Ob Merkel das durchhält?
Wenn der Aufschwung es weiter gut mit Deutschland meint, wird das schwer. Denn dann gibt es auch mehr zu verteilen. Wenn sich die gute Konjunktur jedoch unerwartet schnell verflüchtigt, kommt es für beide Lager knüppeldick. 2008, so viel steht jetzt schon fest, wird ein Jahr der innenpolitischen Gereiztheiten werden. Viel können die Bürger von ihrer Regierung nicht mehr erwarten.