Wenn der Wodka wie Limonade schmeckt

Mehr Aufklärung statt schärferer Gesetze: Die Jugendschützer der Region sehen trotz intensiven Alkoholkonsums einiger Jugendlicher keine Notwendigkeit, die bestehenden Regelungen zu ändern.

Trier. 4,80 Euro kostet zurzeit die Kiste mit 20 Halbliterflaschen eines Billigbiers in einem Lebensmitteldiscounter in Trier. Das sind 48 Cent für einen Liter Bier, das damit billiger ist als Cola oder Limonade. Dadurch, so Marc Powierski, Beauftragter für Jugendsachen beim Polizeipräsidium Trier, würden 16- oder 17-Jährige geradezu verleitet, Bier zu kau fen. Verboten ist das für diese Altersgruppe nicht. Und genau da stoße der Jugendschutz an seine Grenzen, sagt der Jugendbeauftragte der Trierer Polizei, Uwe Konz. Denn es sei schwer zu kontrollieren, wenn ältere Jugendliche oder junge Erwachsene, die Schnaps kaufen dürfen, quasi als Alkohollieferanten für Jüngere dienten. Oft handele es sich um Gruppen, die den sogenannten "benachteiligten" Milieus zuzuordnen seien, weiß Stephan Ro ther, Jugendschützer des Kreises Bernkastel-Wittlich. Dietmar Wagner von der Krankenkasse DAK in Trier nennt die Zahlen "alarmierend." Im Vergleich zu 2008 sei die Zahl der Fälle um 14 Prozent gestiegen.

Experten wie Jupp Arldt, Geschäftsführer der Landeszentrale für Gesundheitsförderung in Mainz, warnen: "Kinder und Jugendliche sind durch Alkohol besonders gefährdet, denn der Alkohol wirkt bei ihnen viel stärker als bei Erwachsenen." Bereits ab 0,5 Promille Alkohol im Blut könne ein Kind bewusstlos werden. Außerdem sei bei Kindern und Jugendlichen die Gefahr einer Sucht sehr viel größer als bei Erwachsenen, so der Experte.

Vor allem der Gruppenzwang führe dazu, dass Jugendliche zum Trinken verleitet würden, sagt Bruno Willems, Jugendschutzbeauftragter des Vulkaneifelkreises. "Viele können die Wirkung von Alkohol nicht einschätzen", sagt Polizist Powierski. So ist derzeit unter Jugendlichen Wodka gemischt mit einem Energydrink und Limonade oder Kräuterlikör sehr beliebt. Dadurch, so Christine Schmitz, Jugendschutzbeauftragte für Trier und Trier-Saarburg, würden viele Jugendliche gar nicht merken, dass sie Hochprozentiges trinken. "Das schmeckt dann wie Limo." Ihr Kollege Stephan Rother vom Kreis Bernkastel-Wittlich bezweifelt, dass die Eltern immer wissen, "was ihre Kinder sich selbst mixen".

Dabei spielt auch der Preis eine Rolle. Eine Flasche Wodka für 4,99 Euro im Supermarkt ist auch für einen 18-Jährigen mit seinem Taschengeld erschwinglich. Und: "Durch die längeren Öffnungszeiten von Supermärkten und Tankstellen können Jugendliche Alkohol auch noch spät abends und am Wochenende kaufen", kritisiert Jugendschützer Bruno Willems. Erstaunlicherweise stellen Polizei und Jugendschützer kaum Verstöße von Geschäften oder Wirten fest (siehe Extra). Die hielten sich zum Teil streng an das Gesetz, sagt Jugendschützerin Schmitz. Gerade zwei oder drei Verstöße habe man im vergangenen Jahr in Trier festgestellt. Das Problem seien aber die sogenannten Alkohollieferanten, die Jugendlichen ab 16, denen es erlaubt ist, Bier zu kaufen, oder die jungen Erwachsenen, die auch härtere Sachen kaufen dürfen, sagt Jugendpolizist Konz. Durch sie kämen auch Jüngere an Alkohol. Auch stärkere Kontrollen könnten das nicht verhindern, da die Jugendlichen zumeist diese "Lieferanten" nicht preisgeben würden, sagt Bruno Willems.

Verbreitet sei auch das sogenannte Vorglühen, berichtet der Eifeler Jugendschützer. Vor Partys oder öffentlichen Veranstaltungen würden Jugendliche schnell große Mengen Hochprozentiges zu sich nehmen, um so einen bestimmten Alkoholpegel zu erreichen und dann in der Disco weniger für teure alkoholische Getränke ausgeben zu müssen.

Gegen ein generelles Alkoholverbot für Jugendliche sind die meisten Jugendschützer in der Region. Der beste Schutz vor übermäßigem Alkoholkonsum bei Jugendlichen seien vorbildliche Erwachsene, die sich nicht sinnlos betrinken, sagt Jugendpolizist Konz. Extra Jugendschutz: Überall dort, wo Alkohol verkauft wird, muss das Jugendschutzgesetz aushängen. Jugendliche ab 16 Jahren dürfen Bier, Wein und Sekt kaufen und in Gaststätten oder auch in der Öffentlichkeit trinken. Wenn die Eltern des Jugendlichen dabei sind, darf er auch schon ab 14 Alkohol kaufen und trinken. Likör, Wodka oder Whisky darf an Jugendliche unter 18 nicht verkauft werden. Allerdings ist es gerade bei beliebten Mixgetränken schwierig, auf einen Blick zu erkennen, welche Getränke von Minderjährigen konsumiert werden dürfen und welche nicht. Zumeist bestehen diese Getränke aus mehreren Geschmacksstoffen und Beigaben. Als Grundregel empfehlen Jugendschützer, dass Mixgetränke, welche neben Bier nur Tequila-Geschmack enthalten oder mit Wein angereichert sind, auch von Jugendlichen ab 16 Jahren getrunken und gekauft werden dürfen. Veranstaltungen, die vorzugsweise jugendliche Besucher ansprechen, sollten auf die Abgabe von Spirituosen und branntweinhaltigen Mixgetränken verzichten, raten Jugendschützer der Region. Jugendliche unter 16 Jahren dürfen nicht in Gaststätten gehen oder an Tanzveranstaltungen teilnehmen. Reine Jugendveranstaltungen am Abend müssen bis spätestens 24 Uhr beendet sein. (wie)Hintergrund Alkohol und Gewalt: Auch das Landeskriminalamt warnt vor zügellosem Alkoholkonsum an Karneval: Unter Alkoholeinfluss steige nicht nur das Risiko, Gewalttäter zu werden, sondern auch die Wahrscheinlichkeit, als Opfer Gewalt zu erleiden. Auf der Opferseite spiele Alkohol eine Rolle, wenn Betrunkene mit beleidigenden Worten Schlägereien provozieren würden. Verlören Frauen durch zu viel Alkohol die Selbstkontrolle, könnten sie leichter Opfer sexueller Gewalt werden. (woc)

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